Die einsamen Toten
gebrochen?«
»Nein«, erwiderte Mrs Van Doon. »Das ist Folge eines weiteren Schlags. Wahrscheinlich mit derselben Waffe, die die Kopfwunde verursachte. Wir können für Sie die Vergleiche anstellen.«
»Zwei Schläge. Ich vermute, Sie können mir nicht sagen, welcher zuerst erfolgte? Das wäre bestimmt zu viel verlangt.«
»Na ja, eigentlich nicht.«
»Also können Sie es uns sagen?«
»Nun, die Schlüsse, die Sie daraus ziehen, überlasse ich wie immer Ihnen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass der Schlag auf den Kopf wahrscheinlich erfolgte, als das Opfer noch stand. Wenn Sie die Waffe finden, stehen die Chancen gut, dass wir das genauer abklären können.«
»Aber?«
»Aber die Verletzung an seinem Arm wurde dem Opfer beigebracht, als es bereits am Boden lag. Auf der anderen Seite des Armes, wo er auf den Boden aufschlug, befindet sich ein Hämatom. Und noch einmal – wenn wir die Waffe hätten, könnten wir den Aufschlagwinkel herausfinden. Ein schwerer, länglicher Gegenstand aus Holz, danach sollten Sie suchen. Leider scheint die Waffe nicht gesplittert zu sein. Jedenfalls kann ich keine erkennbaren Splitter in der Wunde feststellen. Solange die im Labor keine Spuren finden, kann man auch nicht sagen, um welches Holz es sich handelt.«
»Jemand hat ihn bewusstlos geschlagen, ihm einen zweiten Schlag versetzt und ihm den Arm gebrochen?«
»Vielleicht. Aber denken Sie daran, dass er im Fallen mit dem Kopf aufschlug.«
Fry löste ihren Blick von dem herausstehenden Knochen und schaute auf. »Sie meinen, er war schon tot, als sein Arm gebrochen wurde?«
»So schnell geht das nun auch wieder nicht«, sagte Mrs Van Doon. »Aber er lag mit Sicherheit im Sterben.«
»Neil hat seit neun Monaten in Tintwistle gewohnt«, erklärte Philip Granger. »Sein Haus liegt gleich rechts an der Hauptstraße.«
»Ja, das wissen wir. Sie waren gestern mit Detective Constable Cooper und einigen anderen Beamten dort«, sagte Detective Inspector Paul Hitchens geduldig.
Granger nickte, sah Ben Cooper, der neben dem Inspector saß, aber nicht an. Cooper hatte den Eindruck, dass Philip Granger sich nicht an ihn erinnerte. Er hatte an diesem Nachmittag bereits eine formelle Aussage über seinen Bruder abgelegt, die ziemlich umfassend gewesen war. Über einige Einzelheiten würde man noch mal sprechen müssen, aber nicht jetzt.
Im Befragungsraum in der West Street sah Granger ebenso
kränklich aus wie am Tag zuvor. Entweder hatte er sich nicht rasiert, bevor er morgens aus dem Haus ging, oder er litt unter extrem starkem Bartwuchs, der bereits um fünf Uhr nachmittags sein Kinn bläulich färbte. Cooper wollte ihn fragen, ob auch er unter dem Schuldgefühl des Überlebenden litt, das die Mitglieder der Familie eines Opfers oft empfanden – dieses irrationale Gefühl, dass der Falsche gestorben sei. Es hätte mich treffen sollen, nicht ihn. Und dann dieses ewige »wenn doch nur«. Vielleicht war es für einen älteren Bruder noch schlimmer.
»Neil hatte sich ständig über den Stau in Tintwistle beklagt«, fuhr Granger fort. »Seit Jahren war die Rede von einer Umgehungsstraße in Longdendale. Neil ging sogar mal zu einer Versammlung des Komitees, das die Kampagne anführte, aber er mochte die Leute dort nicht. Lauter Wichtigtuer, die zu viel Zeit hatten, meinte er.«
»Wir sind noch immer dabei, das Haus Ihres Bruders zu durchsuchen, Mr Granger«, sagte Hitchens. »Als nächster Verwandter haben Sie das Recht, anwesend zu sein, wenn Sie wünschen.«
»Nächster Verwandter«, wiederholte Granger.
»Verstehen Sie, was ich sage, Sir?«
»Ist doch egal. Sie haben auch Neils Wagen, oder? Den Käfer.«
»Das ist korrekt.«
»Haben Sie dort was gefunden?«
Hitchens spitzte neugierig die Ohren. »Im Wagen? Wieso fragen Sie?«
»Ich dachte mir, dass dort vielleicht ein paar Hinweise zu finden sind. Vielleicht hat Neil an dem Abend jemanden mitgenommen. Er machte das öfter. Ich selbst würde nie einen Anhalter mitnehmen. Man weiß ja heutzutage nie, mit wem man es zu tun hat. Aber Neil war oft so unvernünftig.«
»Ich verstehe.«
Jetzt sah Granger Cooper das erste Mal an.
»Es war der Pfarrer, der mich angerufen hat, wissen Sie«, sagte er zu ihm. »Mr Alton.«
»Ja, das haben Sie in Ihrer Aussage bereits erwähnt«, erwiderte Cooper. »Mr Alton hat Neil am Samstagmorgen erwartet, damit er ihm auf dem Friedhof hilft.«
»Ich bin zu Neils Haus gefahren, aber da war keine Spur von ihm.«
»Verstehe, Sir.«
»Aber
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