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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Gerichtsmedizinerin. Es gab nicht viele Fälle, die Mrs Van Doon zu Metaphern anregten. Wenn Kinder getötet wurden, ja, oder bei ähnlich tragischen Ereignissen. Aber ein junger Mann, der einen gewaltsamen Tod erlitten hatte? Davon hatte sie bestimmt schon jede Menge gesehen.
    »Der menschliche Schädel ist ein wunderbares Konstrukt«, sagte die Pathologin. »Und er leistet Erstaunliches beim Schutz unseres Gehirns. Aber ein harter Schlag genügt, und Sie werden sehen, wie zerbrechlich er ist. Der Sitz unserer Intelligenz, reduziert auf ein paar abgestorbene Wurzeln und schmutzige Erde, die aus einem zerschmetterten Blumentopf quellen.«
    Fry erschauderte beim Klang der Stimme von Mrs Van Doon. Im Augenblick wollte sie lieber nicht an ihre eigene Zerbrechlichkeit erinnert werden. Der Anblick der Knochen genügte ihr bereits. Sie wollte nicht sehen, was sonst noch darunter lag.
    Mrs Van Doon sah sie mit einem traurigen Lächeln an. »Tut mir Leid. Erinnerungen, wissen Sie. Selbst Pathologen sind nicht völlig immun gegen persönliche Gefühle. Wir sind nicht alle in der Lage, Witze am laufenden Band zu reißen und dabei eine frische Leiche aufzuschneiden.«

    »Ist schon in Ordnung«, erwiderte Fry, obwohl Van Doons Entschuldigung und ihr Hinweis auf persönliche Erinnerungen ihr noch unangenehmer waren. Falls die Pathologin in Tränen ausbrechen sollte, würde Fry den Raum verlassen müssen. Sonst konnte es passieren, dass sie es ihr nachtat.
    Detective Chief Inspector Kessen stand neben dem Leiter der Kriminalforensik und sah Fry über den Rand seines Mundschutzes hinweg mit jenem Ausdruck unendlicher Geduld an, der so aufgesetzt wirkte.
    »Wir haben es hier mit einer offenen Schädelfraktur zu tun«, fuhr die Pathologin schließlich in ihrem gewohnt nüchternen Tonfall fort. »Die Verletzung der Kopfhaut ist Folge des Aufpralls auf die am Tatort befindlichen harten, scharfkantigen Steine. Ich denke, wir werden eine exakte Übereinstimmung feststellen. Die Dura Mater ist zerrissen, wodurch eine große Menge Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit ausströmte. Außerdem liegt eine Kompression des Gehirns in dem an die Verletzung angrenzenden Areal vor.«
    »Das heißt im Klartext, sein Kopf ist beim Fallen auf den Stein geknallt.«
    »Ja.«
    »Die Anordnung der Blutspritzer scheint auf dasselbe hinzudeuten.«
    »Und das war die tödliche Verletzung«, sagte die Gerichtsmedizinerin.
    »Sind Sie sicher? Hatte er Überlebenschancen?«
    »Ohne sofortigen chirurgischen Eingriff und Schließung der Membranen wäre es sehr rasch zu einer Infektion gekommen.«
    »Es war auch jede Menge Blut am Tatort.«
    »Verletzungen der Kopfhaut bluten immer stark«, erklärte Mrs Van Doon schulterzuckend.
    »Was ist mit der anderen Kopfverletzung?«
    »Am Hinterkopf ist eine Quetschung zu erkennen, die von einem harten, glatten Gegenstand herrührt. Dieser Schlag verursachte
eine diffuse Verletzung des Gehirns, wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung als Folge des Aufpralls der Hirnmasse gegen das Schädelinnere.«
    »Wie ernsthaft wären die Folgen gewesen?«
    »Nur ein kurzes Koma. Und mit Sicherheit wäre Granger mit schlimmen Kopfschmerzen aufgewacht, vielleicht auch mit Übelkeit und Schwindel.«
    » Wenn er aufgewacht wäre.«
    »Selbstverständlich. Der Schlag auf den Hinterkopf hatte ihm das Bewusstsein geraubt und ihn zu Boden gestreckt. Aber er war nicht tödlich. Das war der Aufprall auf den Stein.«
    Jetzt meldete Chief Inspector Kessen sich zu Wort, und alle drehten sich zu ihm um.
    »Ihnen ist klar, wie entscheidend dieser Punkt ist? Das könnte der Beweis sein, dass wir es hier nicht mit Mord, sondern mit Totschlag zu tun haben. Der Schlag auf den Hinterkopf wurde vielleicht nur mit der Absicht geführt, das Opfer zu betäuben und nicht, es zu töten.«
    »Ich werde Ihnen in meinem Bericht alles ausführlich darlegen, Chief Inspector«, versprach Mrs Van Doon.
    »Danke.«
    Die Pathologin sah ihn einen Moment an und wartete auf die nächste Frage, die jedoch nicht kam.
    »Dann ist da sein Gesicht …«, begann sie.
    Sauber und mit geschlossenen Augenlidern sah Neil Grangers Gesicht fast normal aus. Aber so hatte er nicht ausgesehen, als die Feuerwehrmänner ihn gefunden hatten.
    »Das Gesicht war mit wasserlöslicher Theaterschminke bemalt. Mit schwarzer Schminke.« Die Pathologin blickte fragend zu den Polizeibeamten auf. »Können Sie einen Grund dafür angeben?«
    »Noch nicht.«
    »Bin nur neugierig.«
    »Und die Augen?«,

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