Die Einsamkeit des Barista
verlieren.
»Entschuldige. Also, aus der Abfrage dieses Archivs ergaben sich zwei Dinge. Einmal, dass Carpanesi drei- oder viermal in einem Hotel übernachtet hat, das sich Hotel des Bains nennt, in San Giuliano Terme, im Sommer ’94. Und rate mal, wer in denselben Nächten im selben Hotel übernachtet hat?«
»Mal ins Blaue geschossen – Marina Corucci?«
»Sehr gut, der Herr gewinnt einen Teddybären. Punkt zwei ist noch viel besser. Im August ’94, nachts, ist eine Polizeistreife einem Paar zu Hilfe gekommen, das sich in einem Wald bei Aulla versteckt hatte. Nachdem sie den Wagen abgestellt hatten, waren die beiden der Faszination des guten alten minniglichen Treibens unter freiem Himmel erlegen und in der Wiese verschwunden. Als sie fertig waren und zum Wagen zurückkamen, mussten sie leider feststellen, dass der weg war. Wenigstens hatte der Kerl unter den paar Sachen, die er bei sich trug, noch sein Handy und rief die Polizei an. Die Beamten kamen, nahmen die Personalien und eine Anzeige auf und haben das Pärchen zum Bahnhof gebracht. Und jetzt rat mal, wer die zwei waren?«
»Ich wage noch einen Schuss ins Blaue. Die Corucci und der Carpanesi?«
»Perfekt. Der Herr gewinnt noch einen Teddybären und eine Spieldose dazu. An dem Punkt angekommen, was tut der emsige Fusco da? Er ruft das Krankenhaus an und fragt nach dem Gesundheitszustand von Marina Corucci. Der am Morgen noch stabil war.«
»Am Abend auch noch«, unterbrach Massimo. »Nur ein ganz klein wenig zu stabil, weil die Signora da doch schon tot war.«
»Genau. Leider sind die Teddybären alle. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Fusco nimmt still und heimlich unsere ›Niederschrift gesammelter Informationen‹ zusammen mit Carpanesis Erklärung und seinen Entdeckungen und schickt das alles als Straftatbestand an die Staatsanwaltschaft. Der Staatsanwalt ordnet die Beschlagnahmung des Leichnams an, ruft den Gerichtsmediziner an und lässt eine Autopsie durchführen. Schenkst du mir einen Campari ein?«
Pause, eine unwirkliche Stille, nur unterbrochen vom Gluckern der Flüssigkeit, die aus der Flasche ins Glas gekippt wird. Aldo trinkt zufrieden einen Schluck, dann lehnt er sich gegen den Tresen und fährt fort: »Marina Corucci ist an einer Hirnembolie gestorben, verursacht, weil irgendein ganz besonders reizender Mensch ihr Luft injiziert hat, vermutlich über den venösen Zugang. Der offizielle Autopsiebericht ist heute Morgen um neun eingegangen.«
»Und an dem Punkt«, sagte Del Tacca, »hat Fusco uns alle vier zu sich gerufen, um uns zu fragen, ob wir noch was wüssten. Sieh mal einer an, wie seltsam; ab und zu sind sogar diese alten Nervensägen noch zu was nütze.«
Fünf
»›Die Wahrheit der Girokonten. Von Pericle Bartolini. Das Rätsel um die Beziehung, die Marina Corucci mit Stefano Carpanesi verband, verdichtet sich, während die zusätzlichen Senatswahlen, die für Anfang Mai angesetzt sind, näher rücken.‹ Ach was, das Rätsel. Inzwischen wissen’s doch sogar die in der Schweiz, dass die beiden was miteinander hatten. ›Es ist inzwischen bewiesen, dass Carpanesi in der Tat nicht ganz aufrichtig über seine Freundschaft mit der Verstorbenen gewesen ist, dem Opfer des dritten Mordes, der die schöne Jahreszeit in unserer Provinz überschattet.‹ Ach, und wie leid euch das tut, ihr Ärmsten. Mit Toten verkauft ihr doch viel mehr Zeitungen als mit Bingo.«
Es folgte ein Moment des Schweigens, unterbrochen nur vom trockenen und präzisen Aufprall einige Sekunden später, gefolgt vom Geräusch der rollenden Billardkugel.
»›Ursprünglich hatten sich die polizeilichen Ermittlungen auf die Erklärung des Mannes konzentriert, der spontan ausgesagt hatte, die Frau nicht vor 1996 gekannt zu haben‹, und damit hat er einen schönen Unfug erzählt, ›aber dies wurde rasch durch die Ermittlungsbehörden widerlegt, die zu dem Ergebnis kamen, dass Carpanesi und Corucci sich bereits einige Jahre früher näher kannten. Die Ermittlungen machten jedoch nicht an diesem Punkt halt, und gestern sind sie an einen weiteren fundamentalen Punkt gelangt. Aus der Analyse der Kontenbewegungen geht in der Tat hervor, dass Carpanesi regelmäßig bestimmte Summen von seinem Girokonto abgehoben hat und dass dieselben Summen wenige Tage später auf einem Konto, das auf den Namen des Opfers geführt wurde, eingezahlt wurden. Kurz gesagt, es drängt sich der Verdacht auf, dass Carpanesi Opfer einer Erpressung durch Marina Corucci
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