Die Einsamkeit des Barista
war.‹«
Es folgte ein weiterer Augenblick der Stille, unterbrochen nur vom doppelten Anschlagen und dem Beginn einer Fluchkanonade.
»Wenn die Kugeln aneinanderstoßen, ist es Zeit, den Stock wegzustellen und zahlen zu gehen«, bemerkte Ampelio in seiner unendlichen Weisheit, während er die Zeitung wegwarf.
»Ich leg ihn dir gleich auf den Kopf, den Stock«, antwortete Aldo und versuchte, beeindruckend zu wirken, während er die Spitze der genannten Waffe in gespielter Würde mit Kreide einrieb, nachdem er einen der leichtesten Stöße des Jahrhunderts vergeben hatte. »Wenn du mir dann bitte noch den Gefallen tun würdest, nicht zu lesen, während ich dran bin, dann schaffe ich es vielleicht, einen anständigen Stoß hinzukriegen.«
»Oh, das ist doch wohl nicht meine Schuld, wenn du nichts gebacken kriegst. Abgesehen davon, bist du aber auch nicht der Einzige. Hör mal: ›Diese Vermutung ist allerdings derzeit noch durch keinerlei wie auch immer geartetes Motiv untermauert, und die Ermittlungsbehörden wagen es im Moment noch nicht, mögliche Erklärungen abzugeben. Erklärungen, die nicht einmal von Carpanesi selbst geliefert werden, der, obwohl er inzwischen auf der Liste der Verdächtigen steht, in absolutes Schweigen versunken ist.‹ Ja, ja. Ich weiß, wo der versinkt. Auf dem Klo versackt der und hat den Schlüssel zweimal rumgedreht. Wenn der rauskommt, macht ihm seine Frau die Hölle heiß. Wo waren wir?«
»Acht Punkte Rückstand«, sagte Pilade. »Aber jetzt ist Gino dran.«
Jenes »aber« sollte bedeuten, dass, obwohl acht Punkte eine ganze Menge waren, Rimediotti in der Lage war, sie ohne Schwierigkeiten nach Hause zu bringen. Aldos Fehler – ein durchschnittlicher Spieler, der jedoch häufig artistische Stöße mit ruinösen Folgen versuchte – hatte Gino nun einen relativ einfachen Stoß hinterlassen, und in diesem Zimmer und mit einem Billardstock in der Hand war Rimediotti nicht mehr aufzuhalten. Die einzige Hoffnung in diesen Fällen bestand darin, dass, während er sich vorbeugte, um einzuschätzen, wie viel Druck er in seinen Stoß legen musste, ihn sein üblicher Hexenschuss ereilte und er am Arm gestützt hinausgeführt werden musste.
Doch dieses Mal richtete sich Rimediotti wieder auf, nachdem er sich vorgebeugt hatte; folglich stützte er den Stock auf das von Daumen und Zeigefinger geformte Dreieck und begann den Stock systematisch vor und zurück zu bewegen. Der Stoß gelang wie von selbst, wie es nur denen gelingt, die wirklich spielen können. Bande, Bande, gelbe Kugel, mittlerer Kegel, während alle anderen Kegel unberührt blieben. Zwölf Punkte.
»Gewonnen. Ampelio rein, Massimo raus. Guter Junge, hast wirklich gut gespielt.«
»Verdienst des Meisters«, sagte Massimo, während er sich die Schürze auszog.
»Jawohl, im Übrigen …«, warf sich Ampelio in die Brust.
»Großvater, ich hab von Gino geredet. Von dir habe ich höchstens gelernt, wie man Schokolade klaut.«
»Was du allerdings nicht besonders gut gelernt hast«, sagte Tiziana, die gerade mit einem Tablett hereingekommen war. »Du bist klapperdürr.«
»Das sagst nur du, meine hübsche Kleine«, widersprach Ampelio, der Regel folgend, dass es in Ordnung ist, die eigenen Verwandten auf die Schippe zu nehmen, es aber Ärger gibt, wenn jemand anderes das tut. »Der Junge war ein Genie. Fast besser noch als seine Mamma. Und dann hat er nämlich mir die Schokolade gebracht.«
»Was soll das heißen, besser als seine Mamma?«
»Aber Tiziana, kennst du etwa die Geschichte von Giuliana nicht?«
»Nein«, sagte Tiziana.
»Oh, da ist wohl nichts zu machen«, sagte Aldo. »Ampelio war schon immer gut darin, verborgene Talente zu erkennen. Und mit Giuliana hat er in die Vollen gegriffen. Darf ich?«, fragte er und zog eine Zigarette heraus.
»Nein«, sagte Massimo. »Das Billard zieht sich mit Rauch voll und stinkt hinterher wie ein Wanzenfriedhof.«
»Na gut. Also, du musst wissen, dass Giuliana, Massimos Mamma, eine diplomierte Ingenieurin ist. Damals war das noch nicht so üblich, dass Frauen studierten, und erst recht kein Fach wie Ingenieurwesen. Dazu kommt, dass bis dahin in Ampelios Familie niemand so wirklich was vom Studieren gehalten hat, machen wir uns da nichts vor.«
»Wir waren arm«, murrte Ampelio. »Studieren war was für reiche Leute. Ich bin mit zwölf Jahren arbeiten gegangen.«
Na so was. Jetzt sind es schon zwölf. Das ist Rekord. Bis jetzt war er bei vierzehn angekommen. Normalerweise
Weitere Kostenlose Bücher