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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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können. Sie pustete mit aller Kraft, bis die glimmende Zigarette auf den Boden fiel.
    Â»Die Zeit, einen Künstler aufzubauen, sei vorbei, heißt es. Die, die es gibt, genügten dem Markt. Der Markt sei voll. Ich habe mit Andrew Cascone das Gegenteil bewiesen!«
    Erik lief langsam um den Stuhl herum. Rebekka hielt ihren Kopf gerade, auch wenn sie beinah die Beherrschung verlor aus purer Angst, und beobachtete ihn nur aus den Augenwinkeln.
    Â»Als es mir gelang, mein Alter Ego bei Lutter unterzubringen, konnte ich mich zurücklehnen. Keine Flyer mehr, keine Onlineaktionen. Von Lutter hängen ein paar Plakate in der Stadt – und die Sache ist geritzt. Seit Cascone zu dieser Sammlung gehört, wollen die Leute etwas von ihm kaufen, weil hier nur eines zählt: Wer besitzt was? Die Leute wollen dazugehören zu den Happy Few .«
    Bei jedem seiner Schritte und Handgriffe zuckte Rebekka zusammen. Mal griff er wahllos in ein Regal voller Plastikflaschen, nahm eine heraus, schaute sich das Etikett an, stellte sie zurück, dann wieder zu seinem Schweißgerät, bei dem er den Anschluss prüfte.
    Unter der dicken Schicht von Angst, die Rebekka lähmte und ihre sonst so guten Instinkte erstickte, spürte sie eine Hoffnung. Sie war Erik zu ähnlich. Er würde ihr aus lediglich einem Grund nichts tun: weil er sie als ebenbürtig betrachtete.
    Â»Haben die Leute hier gearbeitet?«
    Rebekka hatte das Gefühl, jemand anderes redete für sie. Ihre Stimme gehörte irgendwie nicht mehr zu ihr, sondern machte da draußen ihren Job weiter, während Rebekka langsam vor Angst erstickte.
    Â»Immer einer, ja.«
    Â»Sie haben dir nichts getan.«
    Â»Nein, und auch niemand anderem.«
    Â»Warum, Erik?«
    Â»Ein notwendiger Reinigungsprozess. Einmal mit dem Kamm durch die Gesellschaft gehen, Rebekka, und die Läuse bleiben hängen. Jeder hatte hier noch mal seine Chance. Konnte Geld verdienen und was draus machen, oder es versaufen. Haben’s versoffen, sind aufmüpfig geworden, sind gestorben.«
    Â»Was hast du mit ihnen gemacht?«
    Â»Ihnen ein patiniertes Denkmal gesetzt. Hier …«
    Rebekkas Blick folgte mühsam seiner Handbewegung zu einer Wand mit bunten Metallvierecken. »Anthrazit und Brauntöne einer solchen Qualität entstehen am besten auf Kupfer und«, er zählte zwölf Metallquadrate ab und legte sie vor Rebekka auf eine Werkbank, »und einer recht giftigen Ammoniakverbindung. Zwölf Gedenkplaketten. Sind die nicht edel?«
    13 rosafarbene Karteikarten hingen noch an Rebekkas Pinnwand im Vico House . Jemand musste ihr Zimmer betreten, den Zusammenhang sehen und – selbst wenn sie dann tot war – die Bombe platzen lassen.
    Das kann es doch nicht gewesen sein!
    Â»Du hast dich einfach nach Chicago abgesetzt, mein Kind, zu deinem Schwarm namens Andrew Cascone. Die Welt – das kleine ›Mü‹ davon, das überhaupt von dir weiß – wird es glauben. Es war ein Leichtes, dem lieben Freddy dein Gepäck abzuquatschen und den Rest wegschließen zu lassen. Der Junge wird sich inzwischen prächtig amüsieren in Sun City und gar nicht mitbekommen, ob zurückkommst oder nicht. Zumindest nicht in den ersten Wochen. Und dann ist dieser Einheitsbrei, in den dich unser höchst effektiver Schredder verwandelt haben wird, versickert und vertrocknet und … Dust in the wind! «
    Er lächelte, wie sie ihn noch nie hatte lächeln sehen. Dieser Mann war wahnsinnig, war krank. Er war so fanatisch wie sie selbst und – diese Erkenntnis war bitter und würde sie nun ihr Leben kosten – er war das bessere Chamäleon von ihnen beiden.
    Â»Du hättest mich doch einfach weitermachen lassen können … Ich habe die Kunstwelt so wunderbar beherrscht! All die Idioten, die angeblich wissen, wie’s geht und als nackte Kaiser am jubelnden Volk vorbeiziehen!«
    Er stützte sich auf Rebekkas Oberschenkel, war ihrem Gesicht wieder ganz nah. Ihre Angst verwandelte sich in Wut, und, hätte sie es jetzt noch gekonnt, sie hätte gekreischt, gekratzt, getreten … Doch ihr sonst so wachsamer Geist hatte einen Moment zu spät reagiert. Ihr Vertrauen in Erik Assmann hatte auch diesen Instinkt vernebelt.
    Â»Ein Kippenberger malte einfach seine Lieblingskneipe und bezahlte dann seinen offenen Bierdeckel damit. Dann kaufte Flick seine Bilder, und die

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