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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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irgendwas abgewinnen, wenn einer in meinem Alter auf der Straße landet? Versager, allesamt. Nee nee … Die Alten, die sind cool. Sind ja manchmal so was wie Eltern für mich.«
    Kevin schaute sie an, als wolle er genau darüber noch ausführlicher reden. Rebekka ging nicht darauf ein. Das war ein Programmpunkt aus seiner täglich aufgeführten Show. Er kam bestimmt nicht aus unkomplizierten Verhältnissen, aber Rebekkas Empathie galt ihrem Fall, und für Kevin gab es 50 Euro.
    Sie gingen noch ein Stück am Europacenter vorbei und wieder zurück zum Bahnhof Zoo, ein nicht mal so ungleiches Paar, und Rebekka nahm ihn beim Verabschieden kurz in den Arm.
    Â»Danke dir, Kevin. Ich halte dich auf dem Laufenden.«
    Er steckte den Schein in seine Hosentasche, eine Zigarette hinters Ohr und tippte beim Abschied nur kurz an die Schläfe, man sieht sich , bevor er auf der U-Bahn-Treppe verschwand und wieder abtauchte in seine Welt.
    Rebekka blieb noch eine Weile stehen. Vor einem Supermarkt lungerten Frauen mit Laufmaschen in den knallbunten Strumpfhosen und tranken abwechselnd aus einer H-Milch-Packung und einer Flasche Wodka. Neben ihnen war jemandem gerade eine Tüte Reis in eine Pfütze gefallen und geplatzt. Spatzen stürzten sich darauf, sie kamen plötzlich von überall her, es war ein ganzes Feld aus hüpfenden Spatzen. Die Damen mit den Laufmaschen mussten beiseite treten. Rebekka ging näher heran. Viele Spatzen schnappten sich Körner und flogen davon, selbst wenn sie in ihren kleinen Schnäbeln einen Teil der klebrigen Masse verloren, war es ihnen mehr wert, einen eigenen Schatz zu sichern, als sich zusammen mit den anderen gleich vor Ort den Spatzenbauch vollzuhauen. Zufrieden mit dem Tag ging Rebekka hoch zur S-Bahn. Hier am Bahnhof Zoo war noch richtig was los, wenn ein Sack Reis umfiel.

Kapitel 36
    Die Tür ihres Zimmers im Vico House war nur angelehnt. Sie stand am Fenster. Die Hände auf den Schreibtisch gestützt, schaute sie aus dem vierten Stock hinunter auf die Torstraße. Den morgendlichen Berufsverkehr da unten nahm sie kaum wahr. Ebenso wenig die brachialen Gebäude, von denen sich eins anbiedernd vor das andere zu drängen schien.
    Die Tür fiel ins Schloss, das Geräusch riss sie aus ihrem Tagtraum. Sie fuhr auf, als ein Schal von hinten über ihren Hals geworfen wurde, dessen Schlinge sich unerbittlich fester zuzog. Instinktiv schnellten ihre Hände nach oben, versuchten, den Druck auf ihre Kehle zu lockern. Aber er zog noch fester daran, brauchte nur eine Hand dafür. Mit der anderen klemmte er ihre Hände fest aneinander. Sein Mund war nun dicht an ihrem Ohr.
    Â»WO … WARST … DU?«
    Sein Atem traf die Stelle, an der ihr Nacken Gänsehaut bekam und dabei keine Unterschiede machte. Beim Bad im Drachenblut war ein Lindenblatt auf diese Stelle gefallen und hatte sie genau dort verwundbar gemacht… Allmählich blieb ihr die Luft weg. Sie gab ihm das vereinbarte Zeichen. Die Klammer um ihre Hände löste sich. Sie griff nach dem Schal, streifte ihn ab, wandte sich ihm zu.
    Er warf den Schal auf den Boden. »Ich konnte dich wochenlang nicht erreichen! Selbst dein blutarmer Wachhund da unten hat seinen Job gemacht und mich nicht zu dir gelassen!« Er zog sie an sich. »Rebekka, wo warst du?«
    Sie legte ihren Kopf in den Nacken. Betrachtete ihn nun in aller Ruhe. Vier Jahre jünger als sie alterte er beruhigenderweise im gleichen Tempo mit ihr mit. Der vertraute Blick seiner braunen Augen. Dieser leicht spöttische Ausdruck, der in seine Mundwinkel gemeißelt schien. Zwei, drei Fältchen mehr auf der Stirn als beim letzten Mal. Volle Lippen, über die sie nun ihre Finger gleiten ließ, während er sie noch immer unverwandt anschaute. Sie lehnte am Schreibtisch und blickte zu ihm auf. Fuhr ihm durchs Haar, in dem noch nicht einmal eine Spur von Grau zu sehen war.
    Sie griff nach seinen Händen. Die beiden breiten Ringe am rechten Ring- und linken Mittelfinger. Der Keltische Knoten in Sterlingsilber und ein glatter Weißgoldring, dem die Gravur Julia 12.6.1999 eine Art von Bedeutung verlieh.
    Er schob sie zum Fenster. Fegte mit einer Hand ihren Pass, den Laptop und ihr Handy beiseite. Setzte sie auf den Schreibtisch.
    Â»Mach das nie wieder.«
    Er löste ihr Haar, tauchte sein Gesicht tief in ihre roten Locken.
    Â»Das kann ich dir nicht versprechen.«
    Und sofort

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