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Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Titel: Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Hand ausstreckte, um die Akten von mir entgegenzunehmen, wurde er plötzlich verlegen. Erst bekam er rote Ohren, dann begann ihm der Schweiss auszubrechen. Es war Ende Herbst, und die Morgenstunden waren kühl. Ich befürchtete, er sei krank, und fragte ihn: »Fehlt Ihnen etwas, Herr Asîs? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?« Er reagierte so grob, wie ich es von ihm nicht kannte. Ich war gewöhnt, dass er mich freundlich und liebenswürdig behandelte. Ich sei sensibel, sagte er immer. Dann forderte er mich auf, in mein Büro zurückzugehen, er würde mich später noch einmal kommen lassen. Aber statt dessen rief er nach einer Weile meine Kollegin Nâdja. Sie war älter als ich und meine Vorgesetzte. Als sie aus seinem Büro herauskam, wandte sie sich sofort an mich. Ihr Gesicht war bleich. Sie forderte mich auf, ihr zur Toilette zu folgen, da sie sich unterwegs mit mir unterhalten wolle. »Wie kannst du es wagen«, fuhr sie mich an, während sie mich betrachtete, »ohne BH zur Arbeit zu kommen?« Dann sagte sie mir, dass ich damit Herrn Asîs sehr provoziert hätte und er es als einen schwerenPräzedenzfall in der Behörde betrachte, den er nicht stillschweigend übergehen könne. Er werde mich bestrafen, denn mein Verhalten verletze den Anstand. Da geriet ich ausser mir und hätte sie fast in ihr buntgepudertes Gesicht geschlagen.
    Ich rannte ins Zimmer von Herrn Asîs und erklärte ihm wutentbrannt, dass ich in der Eile vergessen hätte, den Büstenhalter umzumachen, denn ich wollte am Morgen pünktlich in der Wasserbehörde sein. Dann teilte ich ihm meinen Entschluss mit, von jetzt an immer ohne Büstenhalter in der Behörde zu erscheinen, weil ich darüber nachgedacht und herausgefunden hätte, dass dieses Stück Stoff nicht notwendig sei. Es sei genauso unsinnig wie die Krawatten, die er umlege. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen hatten sich ins Zimmer von Herrn Asîs gedrängt, und zum erstenmal hörte ich an diesem Tag, wie einige von ihnen flüsterten: »Die ist doch nicht normal! Die ist doch verrückt!«
    Vor diesem Vorfall hatte es schon andere kleine Begebenheiten gegeben, ohne dass ich dabei mit meinem Chef oder meinen Kollegen zusammengestossen wäre. Ich hielt mich von allen fern und sprach höchst selten mit ihnen, und dann nur über Dinge im Zusammenhang mit meiner Arbeit. Meine Gedanken über die Strassen und Menschen hob ich mir für einen der angenehmsten Augenblicke des Tages auf – die Minuten vor dem Einschlafen, in denen ich mich immer klar und glücklich fühlte und über mein Leben und über das der Menschen in dieser Stadt nachdachte. Was soll all dieser Schmutz in der Wasserbehörde? überlegte ich eines Abends. Warum sind ihre Schreibtische immer grau in grau? Wozu häufen sich massenweise Papiere und Akten in den Ecken? Damit das Ungeziefer und die Mäuse nachts darin schwelgenkönnen? Da kam mir die Idee, allen eine angenehme Überraschung zu bereiten. Ich hatte von meinem Gehalt einige Pfund gespart, mit denen ich einen schönen Schreibtisch kaufte. Ich bat den Verkäufer, ihn mit leuchtendroter Farbe zu streichen und an meine Adresse in der Wasserbehörde zu schicken. Am Tag der Lieferung ging ich schon früh zur Arbeit. Ich begann das Buchhaltungszimmer, das ich mit sechs Kollegen teilte, zu reinigen. Ich fegte und wischte, putzte die Fenster und stellte schliesslich jedem Angestellten in einem Glas Wasser einen hübschen Blumenstrauss auf den Schreibtisch. Gegen Mittag kam der Verkäufer in die Behörde, um mir meinen roten Schreibtisch zu bringen. Aber der für den Ein- und Ausgang zuständige Sicherheitsbeamte weigerte sich, den Mann, und damit meinen roten Schreibtisch, in das Gebäude zu lassen. Nachdem ihm der Verkäufer die Rechnung gezeigt hatte, auf der mein Name stand, informierte er den Chef der Behörde, und der liess mich unverzüglich holen, um mich in der Angelegenheit zu befragen. Ich erklärte ihm alles und fragte meinerseits: »Warum benutzen wir immer nur graue Schreibtische? Was wäre denn dabei, wenn der eine Beamte an einem roten Schreibtisch sitzt, ein anderer an einem grünen und der dritte an einem gelben und so weiter! Würde das nicht allen gefallen?« Er musterte mich befremdet, darum sagte ich: »Ich habe den Schreibtisch auf eigene Rechnung gekauft, und wenn ich wieder Geld gespart habe, werde ich noch ein paar Möbel für das Buchhaltungszimmer dazukaufen.«
    Der Mann, den ich noch immer hasse, sah mich geringschätzig an und sagte: »Gehen Sie

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