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Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Titel: Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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in Ihr Büro zurück!« Dann befahl er dem Sicherheitsbeamten, dafür zu sorgen,dass der Schreibtisch nicht in das Büro kommt. In meinen Adern kochte das Blut, und ich schrie: »Das ist ungerecht! Warum denken Sie bloss so? Was schadet denn ein roter Schreibtisch?« Vor lauter Aufregung fiel ich in eine leichte Ohnmacht, und man brachte mich nach Hause.
    Sicher habe ich bisher von einfachen Dingen gesprochen. Ich habe einiges berichtet, doch nicht alles. Nun will ich genau erzählen, wie sie mich gewaltsam und gegen meinen Willen hierherbrachten: An dem Tag, an dem in der Stadt allgemeine Wahlen durchgeführt wurden, ging auch ich zur Wahl, weil ich als mündige Bürgerin bestrebt war, mein verfassungsmässiges Recht wahrzunehmen. Doch das Problem, das mir den Schlaf geraubt hatte, reduzierte sich auf dem Weg zur Wahl darauf, dass ich gar nicht genau wusste, welchem Kandidaten ich meine Stimme geben sollte. Ich wollte die Angelegenheit also noch prüfen. Ich war wirklich an die Allgemeinheit betreffenden Fragen recht interessiert und hatte auch an entsprechenden Veranstaltungen teilgenommen. Als Schulkind war ich einmal bei einer Demonstration mitmarschiert. Ich hatte der Revolution in Algerien zugejubelt und der Widerstandskämpferin Gamila Bouhired. Auch las ich täglich die Zeitung. Trotzdem hatte ich nicht den geeigneten Kandidaten gefunden, dem ich meine Stimme geben konnte. Auf dem Weg zur Grundschule, in der sich das Wahlkomitee befand, beobachtete ich, wie ein Wiesel verstohlen seinen Kopf aus der Tür eines Geschäfts steckte. Dann lief es schnell in Richtung Schule davon. Ich blieb einen Moment stehen und vergegenwärtigte mir nochmals jenes Bild. Was hat das zu bedeuten? fragte ich mich. Was hat es damit auf sich, ein Wiesel am hellichten Tag?! Ich mussteständig daran denken. Es war nicht das erste Mal, dass ich dieses kleine Tier mit dem schwermütigen Gesicht und dem geschmeidigen Körper in den Strassen der Stadt beobachtet hatte. Ich hatte es schon oft die Strassen entlanghuschen und überall mit Leichtigkeit eindringen sehen. Mich befielen starke Kopfschmerzen, und das chronische Leiden, an das ich mich schon gewöhnt hatte, spielte in meinem wie bei einer Schwangeren angeschwollenen Leib seine verrückten Melodien. Erschöpft setzte ich mich auf den Bordstein und weinte und schluchzte bitterlich. Einige Leute versuchten mich zu beruhigen. Eine alte Frau tätschelte meine Schulter. Doch auf ihre Frage, was denn los sei, erwiderte ich nur: »Nichts. Es ist nichts!« Schliesslich erhob ich mich, unterdrückte meine Tränen und ging weiter bis zum Schulgebäude.
    Was danach passiert ist? Ich weiss es nicht genau. Viele Leute waren dort. Die einen gaben mir Zettel, die ich las, ohne etwas zu verstehen. Andere trugen Bilder und Figuren an ihrer Brust, die Palme, den Hund, das Kamel, die Uhr und anderes. Einer von ihnen bemerkte offenbar, dass ich die Blätter aufmerksam studierte, kam näher und begann ein Gespräch mit mir. Er legte mir nahe, den Kandidaten zu wählen, der zu seiner Partei gehörte. Ich fragte ihn: »Bemüht sich deine Partei darum, in der Stadt Bäume zu pflanzen, statt alles zuzubetonieren? Hat sie ein bewaffnetes Heer gebildet, das ernsthaft die Wiesel bekämpft? Habt ihr etwas, das mich wieder froh macht?« Die Diskussionsrunde erweiterte sich, andere Leute traten hinzu. Nach einigem Hin und Her und vielem Gerede sagte ich zu ihnen: »Alles, was ihr tut, ist nutzlos, denn eure Körper sind schlaff, und dergesunde Verstand braucht einen gesunden Körper. Die meisten unserer Minister sehen abstossend aus. Ihre Nacken sind so feist, dass man an ihrer Fähigkeit, etwas Nützliches zu tun, zu zweifeln beginnt.« Dann fragte ich mit lauter Stimme: »Wo sind die Frauen? Ich sehe um mich herum keine Frauen! Warum untersuchen sie nicht die Ursachen dafür, dass die Sperlinge unsere Stadt verlassen und sich Fliegen und Mücken ausbreiten?« Da lachten sie laut, und einige von ihnen gingen weiter. Ein Mann aber forderte mich im Befehlston auf, mit ihm einen Moment in das Gebäude zu gehen. Ich weigerte mich und fragte ihn nach dem Grund. Er schaute mich finster an, was ich nicht weiter beachtete, und verlangte meinen Personalausweis und meine Wahlkarte. Ich zeigte sie ihm, ohne etwas Böses dabei zu denken. Da nahm er sie mir weg und weigerte sich, sie zurückzugeben. Ich beschimpfte ihn und begann auf ihn einzuschlagen. Doch da kamen plötzlich einige Leute und stürzten sich auf mich. Ich

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