Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten
gegenübertrat. Aber einmal überraschte uns Herr Hassan damit, dass er Mimi »in einer besonderen Angelegenheit« zu sich bat. Da waren wir sicher, er habe ein Auge auf sie geworfen. Doch welche Überraschung – als er mit ihr allein im Wohnzimmer war, wollte er nichts anderes von ihr als ein Darlehen von zwanzig Pfund. Können Sie sich das vorstellen?!
Erzählen Sie uns nicht, Männer seien nicht alles in dieser Welt oder wir sollten uns für etwas anderes interessieren oder uns in unserer Freizeit mit einem Hobby befassen, sollten zum Beispiel etwas lernen oder einem Klub beitreten.
Nun fuhr Fifi fort zu schreiben.
Tatsächlich haben wir genau das probiert. Ich habe immer die Musik leidenschaftlich geliebt und tue es, natürlich, noch immer. Also habe ich versucht, mich mit der Musik vonGrund auf vertraut zu machen, wie es sich gehört. Aber wie problematisch und schwierig ist das, ein Viertel seines Gehalts für Musikstunden auszugeben und dazu noch mehr Zeit als sonst schon in öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbringen, nur um richtig do-re-mi-fa-so-la-ti-do zu lernen! Denken Sie nur, ein ganzes Viertel! Mit seinem Gehalt bis zum Monatsende auskommen oder Musikstunden nehmen, das war die Wahl! Stellen Sie sich vor, Sie verbrächten jeden Tag schon zwei Stunden in der Hölle des öffentlichen Verkehrs und des Strassengewühls! Würden Sie dann das Abenteuer von zwei weiteren Stunden in Kauf nehmen, nur um Melodien und Tonarten zu erlernen?
Manchmal versichern wir uns bedrückt, wenn wir reich wären und Geld hätten, wäre unser Problem um einiges weniger ernst. Denn Geld, mein Herr, löst viele Probleme im Leben. Aber die Welt war mit uns in jeder Hinsicht knausrig. Weder Geld noch Schönheit, noch Verwandte. Und manchmal, mein Herr, fragen wir uns, warum unser Leben auf diese Weise vergeht, bedrückt und kummervoll und inhaltsleer. Wir möchten gern was unternehmen, laufen, tanzen, reisen, die Welt sehen. Wir haben oft daran gedacht, eine nützliche und für andere Leute sinnvolle Tätigkeit zu übernehmen. Susu beispielsweise hat sich einer Wohltätigkeitsorganisation angeschlossen, die sich für unterprivilegierte Kinder einsetzt, doch dabei hat sie ihr Wunder erlebt. Das ist eine seltsame, komische Welt, von Frauen aus einer anderen Welt verwaltet, wo Geld und Ansehen eine Rolle spielen und wo mit Macht und Einfluss geprotzt wird. Sie hat das nicht ertragen, hat sich stillschweigend zurückgezogen und ist zu unseren Abenden zurückgekehrt, diesenscheinbar endlosen Abenden, Kartenspielabenden, bei denen es Glück oder Pech gibt.
Fragen Sie uns nicht, mein Herr, warum all diese Sehnsucht nach den Männern? Ist es der Sex? Oder die Liebe? Ja, mein Herr, wir wollen Liebe. Wir haben Gefühle und Bedürfnisse wie alle anderen Menschen auch. Obwohl wir – Gott sei’s gedankt! – ordnungsgemäss beschnitten sind, ist unser Wunsch nach Männern in dieser Hinsicht völlig normal. Aber sagen Sie uns doch einmal ehrlich: Können wir denn heutzutage allein ins Kino gehen? Gerade am Abend? Kann eine von uns für sich allein am Fluss spazierengehen, wenn sie Lust dazu hat? Wir sind eingesperrt, mein Herr, und Sie wissen das nur allzugenau. Eingesperrt in jedem Augenblick unseres Lebens, Ziel aller möglichen Unannehmlichkeiten, die uns fast kaputtmachen und zerreissen. Der Grund dafür ist ein sehr einfacher: dass wir nämlich ohne Männer sind – ohne Vater, ohne Bruder, ohne Ehemann, ohne Sohn.
Verehrter Herr …
Wir besitzen Liebe und Zuneigung. Wir geben sehr viel davon unserem lieben Kätzchen Lulu. Wir verwöhnen sie mehr als genug, so dass sie immer zufrieden und gesund und munter erscheint. Aber eigentlich wollen wir Männer, die wir lieben können, eine menschliche Haut, die wir anfassen und spüren können, statt Lulus glattem Fell.
Fifi, die daran gewöhnt war, ihre Gedanken und Betrachtungen in einem kleinen Heft zu notieren, das sie für diesen Zweck besass, wollte gar nicht mehr zu schreiben aufhören. Sie schien vergessen zu haben, dass sie den Brief, wie abgemacht, an die Seite der »Einsamen Herzen« bei der Wochenzeitung Das Licht schicken wollten. Sie schrieb und schrieb. Doch Mimi erinnerte sie daran, dass man den Brief allmählich abschliessen müsse. Also kam sie zum Ende:
Wir möchten möglichst rasch heiraten, möchten fröhlich sein, möchten Menschen spüren und von ihnen gespürt werden. Führen Sie uns ans »Licht«, mein Herr, dann wären Ihnen unser höchstes Lob und unser
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