Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)
Bedenke den Preis, den du dafür bezahlst. Harriets Stimme verfolgt mich. Frage dich, was sie tatsächlich von dir verlangen. Überlege dir, wie sie dich haben wollen.
»Dazu ist es jetzt zu spät«, sage ich laut. »Es ist geschehen. Es war… notwendig.« Aber warum? Nein. Ich darf so nicht denken. Es ist geschehen und vorbei. Das muss ich akzeptieren. Ich kann Sneeze nicht wieder lebendig machen, aber ich kann, wie Mutter sagt, dafür sorgen, dass sein Tod nicht umsonst war.
Ich stehe auf, nehme Sneeze hoch – sein Körper ist viel schwerer als vorher – und lege ihn auf den Tisch. Dann gehe ich zum Waschbecken bei den Ara-Käfigen und wasche mir die Hände. Ich seife sie ein, bürste und bürste, lasse Wasser darüberlaufen und beginne von vorn. Immer wieder wasche ich meine Hände und muss mich irgendwann zwingen aufzuhören.
Dann gehe ich zurück und wickle Sneeze in eine Decke, wahrscheinlich ist es dieselbe, in die Onkel Jonas ihn nach der Geburt gewickelt hat. Sein Kopf lugt heraus, die Augen matt und starr. Ich nehme das Bündel auf den Arm, werfe die leere Spritze in den Müll und gehe zur Tür. Sneeze ist schwer, unendlich schwer.
Als ich die Lichter im Tierhaus ausknipse, werden die Tiere endlich wieder still. Bis auf Alai. Selbst im Dunkeln sehe ich seine Augen leuchten. In seiner Kehle vibriert ununterbrochen ein leises Grollen. Es liegt etwas Wildes darin, etwas Beängstigendes. Er gleicht plötzlich mehr einem wilden Tier als dem Spielkameraden, den ich aufgezogen und verwöhnt habe.
Ich bin froh, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt und ich allein bin. Rasch gehe ich hinüber zum Laborblock A. In Onkel Paolos Labor brennt immer noch Licht. Ich werde ihm sein Objekt 294 überreichen. Damit ist die Sache für mich erledigt.
Ich bemühe mich nach Kräften, jeden kleinen Gedanken, vor allem an meine Mutter, auszuschalten. Doch einer hält sich hartnäckig, schlüpft schließlich durch die Barrieren und flattert wie ein entflohener Sperling hektisch in meinem Kopf herum.
Wenn das nur der Test war, um mich auf das Eigentliche vorzubereiten… was kommt dann als Nächstes?
28
Heute gehen wir zur Falkschlucht, um eine Ampulle Elysia zu holen.
Onkel Paolo und der Rest des Teams – keiner aus dem Immortis-Team möchte an einem so denkwürdigen Tag fehlen – treffen die nötigen Vorbereitungen und ich schaue ihnen zu. Ich habe immer noch die fröhlichen Glückwünsche des Teams im Ohr, mit denen sie mich in ihrer Mitte willkommen hießen. Dazu kam dann gestern Abend noch Onkel Paolos Ankündigung: Zur Feier meines neuen Status als Teammitglied werden wir zur Schlucht gehen und genügend Elysia mitbringen, um eine Dosis Immortis herzustellen. Noch vor einer Woche hätte mich das schwindelig gemacht vor Stolz. Doch jetzt mischt sich Angst in meine Freude. Seit gestern Abend in der Hütte habe ich Onkel Antonio nicht mehr gesehen und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm begegnen will. Seine Worte geistern noch immer in fetten Großbuchstaben durch meine Gedanken. Viel Böses in Little Cam… Ich blicke auf meine Hände.
»Bist du bereit zum Aufbruch, Pia?«, fragt Onkel Paolo.
»Schon eine ganze Weile.« Ich klopfe auf meinen Rucksack.
»Wir laden in fünf Minuten ein«, ruft er. Wissenschaftler laufen durcheinander, um Taschen und Ausrüstung einzusammeln. Ich weiß wirklich nicht, wozu sie das ganze Zeug brauchen! Es ist doch nur ein kurzer Ausflug. Hinfahren, eine Ampulle Nektar holen, zurückkommen.
Zehn Minuten später laden wir ein. Drei Jeeps stehen bereit. Wenn das viele Gepäck nicht wäre, hätten wir alle Platz in zweien. Die Wissenschaftler packen so viel ein, als ginge es zu einer vierwöchigen Feldexpedition. Meine Mutter setzt sich neben Onkel Paolo und gibt den anderen Anweisungen, wie sie ihre Sachen verstauen sollen. Ich beobachte sie, doch sie nimmt keine Notiz von mir. Sie war gestern Nacht dabei, als ich Onkel Paolo den toten Sneeze zeigte, schaute mich aber kein einziges Mal an.
Onkel Paolo fährt einen der Jeeps und Onkel Timothy setzt zwei seiner Männer ans Steuer der anderen beiden. Die Fahrer haben Gewehre dabei. »Zur Sicherheit«, sagt Onkel Paolo. Onkel Timothy selbst fährt nicht mit.
Als die Tore sich endlich öffnen und wir hinausrumpeln, wird mir plötzlich klar, dass ich Little Cam gerade zum ersten Mal offiziell verlasse. Ich habe mich so oft hinausgeschlichen, dass mir gar nicht mehr bewusst war, dass es gegen die Regeln verstößt.
Wir fahren um die
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