Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
Vom Netzwerk:
nicht. Das ist deine Schwäche und meine Stärke. Es ist der Grund, weshalb ich davonfliegen muss und du mich vergessen musst. Bitte. Bitte vergiss mich!
    Es tut mir leid. Ich wünsche, ich hätte ihn nie in Versuchung gebracht. Wäre zu Hause geblieben, auf meiner Seite des Zauns, und hätte meine Augen am Mikroskop gelassen, wo sie hingehören.
    Doch jetzt habe ich die Chance, alles zu ändern und das zu tun, wozu mir bisher der Mut fehlte. Ich bin stark genug, Onkel Paolo, und ich werde es dir beweisen. Onkel Antonio hatte nicht recht, ganz und gar nicht. Ich bin bereit. Ich werde tun, was du willst, sein, was du willst, werde den Zweck erfüllen, zu dem du mich erschaffen hast. Ich werde weitere Unsterbliche erschaffen und irgendwann vielleicht, in vielen, vielen Jahren alles vergessen können, was heute Nacht geschah.
    Meine Bestimmung ist es zu leben. Wut rauscht durch meine Adern, getrieben vom heftigen Schlagen meines Herzens. Sollte ausgerechnet Onkel Antonio mich belogen haben? Wenn er so sicher ist, dass es ein dunkles, schreckliches Geheimnis in Little Cam gibt, warum hat er das ganze Gelände dann nicht längst niedergebrannt? Die Forschungsergebnisse und die unsterblichen Ratten vernichtet? Warum zögert er und spricht seine wahren Gefühle nicht aus? Wie lange hat er sie schon? Ich kann nicht tun, was er von mir verlangt. Wenn ich meinen Traum verwirklichen will, heißt das, ich muss mir die Hände schmutzig machen. Na und? Jeder hier musste zu irgendeinem Zeitpunkt dasselbe tun. Wie Onkel Paolo sagte: Es ist notwendig. Dort hinten im Dschungel war ich einen Moment lang versucht nachzugeben. Ich habe mir vorgestellt, ich steige mit Eio in ein Boot und lasse diese Welt für immer hinter mir. Das war Schwäche. Fast hätte ich vergessen, wer und was ich bin und was meine Aufgabe ist. Hätte alles unwiderruflich aufgegeben. Nun muss ich beweisen, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird. Ich muss stark sein.
    Die Falltür ist so gut versteckt, dass selbst mein Gedächtnis einen Moment ins Straucheln kommt. Dann sehe ich sie, fege die Blätter beiseite und reiße sie auf. Auf dem Rückweg gehe ich viel sicherer durch den Tunnel und bin rasch am anderen Ende angelangt.
    Kaum habe ich das Maschinenhaus verlassen und bin auf dem Gelände von Little Cam, ebbt die Adrenalinwoge, die mich hierhergetragen hat, ab. Es ist noch immer Nacht und alle schlafen.
    Vielleicht doch nicht alle…
    Ich schleiche mich zum Laborblock A und luge um die Ecke. Da! Das Fenster des Elysia-Labors im zweiten Stock ist erleuchtet. Onkel Paolo arbeitet noch.
    Gut. Ich muss die Sache durchziehen. Wenn ich es jetzt nicht tue, kann es sein, dass ich wieder die Kontrolle verliere, schwach werde und zurückgehe und Eio bitte, meine Hand zu nehmen, mit mir wegzugehen und…
    Hör sofort damit auf! Im Glashaus rührt sich nichts. Im Zimmer meiner Mutter ist alles still, sie hatte allerdings schon immer einen leichten Schlaf.
    In meinem Zimmer ist es dunkel. Ich knipse ein Licht an und hoffe, dass Eio nicht draußen steht und mich mit diesen großen, traurigen blauen Augen beobachtet. Aber ich darf jetzt nicht an ihn denken. Darf mich nicht um ihn sorgen. Eio ist alt genug und muss sich um sich selbst kümmern. Soll er doch zu Onkel Antonio rennen.
    Ich reiße die Sockenschublade mit mehr Schwung als nötig auf. Die Spritze liegt noch da, die Nadel ist so spitz und glänzend wie am Morgen. Ich nehme sie heraus und umschließe sie vorsichtig mit den Händen. Nicht mehr lange. Fast spüre ich schon den Stoff des Laborkittels über meine Kniekehlen streichen.
    Vor dem Spiegel bleibe ich stehen und betrachte mich, ein blasses Mädchen mit wildem Blick und Wind und Blättern in den Haaren von ihrem Lauf durch den Dschungel. Mit ein bisschen Gesichtsbemalung könnte ich als Ai’oanerin durchgehen, nur dass meine Haut zu hell ist. Die Entscheidung ist gefallen. Ich gehe vorwärts und nie mehr zurück.
    Ich lege die Spritze wieder hin, bürste kurz mein Haar und ziehe mir saubere Sachen an. Eine weiße Hose mit weitem Bein und ein weißes Top. Weiße Sachen zum weißen Laborkittel. Weiß für Reinheit, Zielgerichtetheit und Klarheit der Gedanken.
    Weiß für den Tod.
    Im Tierhaus ist um diese Zeit natürlich niemand. Onkel Jonas hat die Tür wie üblich nicht abgeschlossen. Ich knipse die Glühbirnen an der Decke an und eine nach der anderen flackert und knistert, bevor sie richtig leuchtet. Die meisten Tiere haben geschlafen. Verärgert über die

Weitere Kostenlose Bücher