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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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erste Kurve und Little Cam verschwindet.
    Onkel Jakob schenkt mir ein kleines, schiefes Lächeln. »Willkommen im Dschungel, Pia!«
    Ich lächle zurück, schaue dann aber rasch weg, damit er nicht merkt, wie zaghaft mein Lächeln ist.
    Es sind nur zweieinhalb Meilen zur Falkschlucht. Wir parken am Straßenrand. Die letzten eineinhalb Meilen müssen wir zu Fuß gehen, da die Straße nach Süden zum Little Mississip führt, die Schlucht aber im Westen liegt. Im Dschungel ist es heute schwül, aber nicht zu heiß. Trotzdem kommt einem jeder Atemzug feuchter vor als der letzte. Die Wissenschaftler fluchen und keuchen und kämpfen unter ihren Lasten um jeden Schritt. Sie verfluchen auch meine Mutter, die sie zur Eile antreibt. Onkel Paolo schüttelt den Kopf über sie und wartet geduldig. Er schwitzt genau wie alle anderen, doch er scheint von einer Energie erfüllt, der die Anstrengung nichts anhaben kann. Wenn ich ihn anschaue, könnte ich schwören, dass er vor Erregung zittert.
    Es ist achtzehn Jahre her, seit die letzte Ampulle Immortis hergestellt wurde. Die letzte war für meine Eltern, etwa ein Jahr, bevor sie mich zeugten. Onkel Paolo war im Team, doch er leitete das Projekt nicht. Die Leitung hatte ein gewisser Dr. Sato, der kurz nach meiner Geburt in den Ruhestand ging. Heute also ist Onkel Paolos erste Gelegenheit, selbst und in eigener Regie Immortis herzustellen.
    Nachdem er die heutige Exkursion angekündigt hatte, fragte ich ihn, warum wir jetzt schon gingen. Noch ist keine der neuen Testpersonen eingetroffen, und obwohl ich nicht viel über Immortis weiß, wurde mir gesagt, dass es innerhalb einer Woche nach der Herstellung verwendet werden muss, da es sonst seine Wirkung verliert. Onkel Paolos Antwort überraschte mich. »Wie es aussieht, Pia, ist eine Testperson bereits hier, nämlich ich. Ja, ich selbst werde an dem Immortis-Projekt teilnehmen und die erste Dosis bekommen.« Soweit ich weiß, ist er der erste Wissenschaftler, der sich selbst zur Testperson ernannt hat. Kein Wunder, dass er es so eilig hat. Er hat mehr in die heutige Exkursion investiert als alle anderen – mit Ausnahme von mir vielleicht.
    Ich weiß, dass Onkel Paolo immer davon geträumt hat, die Zukunft der Menschheit durch die Erschaffung Unsterblicher zu beeinflussen. Doch jetzt geht er einen Schritt weiter und bringt seinen eigenen genetischen Code in den Genpool ein, aus dem irgendwann Mister Perfect hervorgehen wird. Und wenn eine der weiblichen Testpersonen dann einen Jungen zur Welt bringt, der im Wesentlichen Onkel Paolos Sohn sein wird – wird dieses Kind dann anders behandelt als die anderen? Ich frage mich, ob er seinen Entschluss nur gefasst hat, weil er mehr Einfluss im Immortis-Projekt will, oder ob nicht auch der Wunsch dahinter stand, einmal einen Sohn oder eine Tochter zu haben. Diese Frage habe ich weder ihm noch sonst einem Wissenschaftler je gestellt: Wollt ihr Kinder haben? Alle Lebewesen haben den angeborenen Trieb, sich fortzupflanzen. Das ist ein Grundbaustein der Biologie, allerdings einer, auf den die meisten von ihnen verzichtet haben, um hier arbeiten zu können. Bis sie in den Ruhestand gehen, ist es meist zu spät für Kinder.
    Wieder einmal werde ich daran erinnert, wie viel in mich und das Immortis-Projekt investiert wurde, und wenn ich daran denke, dass ich diesen Ort gestern Nacht beinahe verlassen hätte, schäme ich mich.
    Ein klein wenig Reue verspüre ich allerdings auch. Den Schmerz in Eios Blick, als ich weggerannt bin…
    Aber daran darf ich jetzt einfach nicht denken. Ich muss stark sein.
    Ein schmaler Pfad weist den Weg, und statt mich der quälend langsamen Gangart der andern anzupassen, setze ich mich an die Spitze und erreiche die Schlucht gute fünf Minuten vor ihnen. Nachdem ich eine kleine, über und über mit saftig grünen Farnen und roten Helikonien bedeckte Anhöhe hinauf- und auf der anderen Seite wieder hinuntergestiegen bin, erreiche ich die Falkschlucht.
    Einen Augenblick lang stehe ich nur da und staune. Die Lichtung ist nicht größer als der Hof in Little Cam, aber über und über voll mit purpurfarbenen Orchideen. Es ist, als bildete die Schlucht aus Tausenden von Blumen selbst einen einzigen violetten Blütenkelch. Die Blüten sind größer und ungewöhnlicher geformt als die der meisten Orchideenarten und die Spitzen der Blütenblätter sind golden. Sie sind unbeschreiblich schön. Der Anblick der Schlucht, die ich mir so viele Jahre vorzustellen versuchte, hebt meine

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