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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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Flammen. Um die Feuer herum stehen Hütten. Sie bestehen aus vier Pfählen und sind mit Palmblättern gedeckt. Wände haben sie keine. Am Rand des Dorfes bleibt Eio stehen.
    »Sie schlafen. Schlafende zu wecken, ist nie gut. Schau es dir von hier aus an, aber wecke sie nicht auf.«
    »Du bist doch auch wach«, sage ich.
    »Ich konnte nicht schlafen. Ich habe einen Jaguar gehört und mich auf die Suche nach ihm gemacht.« Er schaut auf Alai hinunter.
    Mir fällt wieder ein, wie Alai gebrüllt hat, als er durch das Loch im Zaun geschlüpft war. »Ist das eine so gute Idee, einen Jaguar zu jagen? Es könnte damit enden, dass er dich jagt.«
    Eio setzt sich auf einen bemoosten Felsen, die Arme über der nackten Brust gekreuzt. »Doch nicht um einen zu fangen! Einen Jaguar zu sehen, ist ein machtvolles Zeichen.«
    »Ich sehe jeden Tag einen«, erwidere ich und kraule Alai hinter den Ohren.
    »So etwas gibt es normalerweise nicht.« Eio schüttelt den Kopf. »Im Dschungel ist der Jaguar König. Er folgt nur seinen eigenen Gesetzen. Wir Ai’oaner fürchten und respektieren ihn und nennen ihn Wächter.«
    »Alai ist im Grunde nur ein großes Baby.«
    Eio lacht kurz auf. »Klar, deshalb hat er auch versucht mir die Nase abzubeißen.«
    »Woher kannst du überhaupt Englisch? Onkel Paolo hat gesagt, ihr Eingeborenen wüsstet nur, was in euren eigenen Dörfern geschieht. Von dem, was außerhalb passiert, hättet ihr keine Ahnung.«
    »Und ob ich Ahnung habe!«, widerspricht Eio. »Ihr seid die Ahnungslosen, Pia-Vogel. Mein Vater hat mir Englisch beigebracht.«
    »Dein Vater?«
    »Er ist Wissenschaftler wie du. In Little Cam.«
    »Tatsächlich?« Ich blinzle und blicke ihn verblüfft an. Ts, ts, ts, da hütet aber jemand ein richtig großes Geheimnis… »Wer ist es? Wie heißt er?« Ich gehe sämtliche Wissenschaftler durch und überlege, wer es sein könnte.
    »Für mich ist er nur Papi. Er kommt und unterrichtet mich in Englisch, Mathematik und Literatur.«
    »Wie sieht er aus?«
    Eio zuckt mit den Schultern. »Hässlich, wie alle Wissenschaftler.«
    Ich runzle die Stirn. »Findest du mich auch hässlich?«
    »Klar«, antwortet er und blickt auf sein Dorf.
    Ich merke, wie ich rot werde vor Zorn. »Das ist das Gemeinste, das jemals jemand zu mir gesagt hat! Ich bin nicht hässlich! Ich bin…« Ich schaue hinunter auf mein nasses, dreckiges Kleid und kann nur noch verlegen flüstern. »Ich bin perfekt.«
    »Perfekt? Rennst du deshalb in einem Kleid durch den Dschungel und machst so viel Lärm wie ein Tapir auf der Flucht vor dem Speer?«
    »Ich… ich habe Geburtstag… ich wollte den Dschungel sehen. Ich war bisher noch nie außerhalb von Little Cam. Ich wollte spüren, wie es ist da draußen in der Wildnis.«
    »Bist du eine Gefangene, Pia-Vogel?«
    »Nein«, antworte ich erschrocken.
    »Warum bist du dann nie rausgegangen?«
    »Ich – sie sagen, es sei gefährlich. Anakondas.«
    »Anakondas! Ich habe eine Anakonda getötet.«
    »Ehrlich?«
    »Ja. Sie war so lang, wie ich groß bin, und ich bin der größte Ai’oaner im Dorf. Aus ihrer Haut habe ich einen Gürtel für Papi gemacht.«
    »Ich habe nur ein Mal eine Anakonda gesehen, sie war tot. Onkel Timothy hat sie geschossen.«
    »Mit einem Gewehr?«
    »Natürlich mit einem Gewehr!«
    »Ich mag keine Gewehre. Ich jage mit dem Speer und mit Pfeil und Bogen. Sie machen kein Geräusch und verjagen die Beute nicht wie diese dämlichen Gewehre.«
    Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die Nacht wird noch dunkler. »Ich muss wieder zurück.« Die Stunde ist längst um, die Wirkung des Adrenalinschubs vorüber. Jetzt bin ich nur noch müde und angespannt. Ich will zurück, will duschen und mich umziehen, bevor jemand meine Abwesenheit bemerkt. Wenn sie nicht schon längst bemerkt wurde.
    Eio erhebt sich. »Ich bringe dich zurück.«
    »Ich finde den Weg«, sage ich.
    »Ich bringe dich zurück«, wiederholt er bestimmt. »Es ist nicht gut, wenn eine Frau allein durch den Dschungel geht, ohne männlichen Schutz.«
    Er denkt, ich bin eine Frau. Ich straffe die Schultern. »Okay, wenn du willst.«
    Wir machen uns auf den Weg und er nennt mir die Namen sämtlicher Pflanzen, an denen wir vorbeikommen. Ich kenne die Namen auch alle, aber ich sage ihm das nicht. Er scheint zu glauben, dass Wissenschaftler immer den Namen von allem wissen wollen, und denkt wohl, er tue mir einen Gefallen. Was soll’s, ich höre ihm gern zu. Seine Stimme ist tief und ein wenig rau, als hätte

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