Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
Vom Netzwerk:
er den ganzen Tag geschrien, und sein Akzent lässt jedes Wort neu und aufregend erscheinen, als spräche er eine fremde Sprache, die ich aber mühelos verstehe.
    »Das ist ein Annattostrauch. Die Samen schützen vor Insektenstichen und heilen Schlangenbisse. Die Mädchen behaupten, man könnte auch einen Liebestrank daraus machen, aber das glaube ich nicht. Sie haben ihn alle an mir ausprobiert und ich liebe keine von ihnen.«
    »Warum nicht? Sind sie nicht stark und schön?«
    Er wirft mir einen merkwürdigen Blick zu, bevor er antwortet. »Doch, einige schon. Schau her, das ist Suma. Es ist gut für das Blut und die Muskeln und das Gedächtnis und schmeckt gut. Und aus dem hier wird Curare gemacht. Damit vergiften wir unsere Pfeile. Es ist ein starkes Gift, aber nicht so stark wie Yresa.«
    Diesen Namen kenne ich nicht. »Was ist Yresa?«
    »Das gibt es hier nicht. Auf der ganzen Welt gibt es nur einen Ort, an dem Yresa wächst. Es war immer ein heiliger Ort für die Ai’oaner, aber jetzt können wir nicht mehr hin. Die Wissenschaftler verbieten es mit ihren Gewehren.«
    Ich habe so ein Gefühl, als wüsste ich doch, was Yresa ist, spreche meine Vermutung jedoch nicht aus. Es ist keine Wärme in Eios Stimme, wenn er davon spricht, dass die Wissenschaftler seinem Stamm den Zugang zu den Pflanzen verwehren, und ich möchte nicht, dass er glaubt, ich hätte etwas mit der Entscheidung zu tun. Aus irgendeinem Grund möchte ich, dass dieser seltsame, wilde Junge nicht schlecht von mir denkt.
    Ich beobachte jede seiner Bewegungen fasziniert. Fragen drängen sich mir auf, ich will alles über ihn wissen. Wo schläft er? Was isst er? War er schon einmal in einer Stadt? Hat er Freunde? Aber ich traue mich nicht und weiß nicht, was ich sagen soll. Oder wie ich es sagen soll. In der kurzen Zeit, seit wir uns begegnet sind, hat er bewiesen, dass er vollkommen anders ist als irgendeiner in Little Cam.
    Bei einem großen, schlanken Baum bleibt Eio stehen. »Weißt du, was das ist?«
    Ich klopfe an die Rinde. » Mauritia flexuosa.«
    »Falsch.« Er sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. »Es ist eine Aguaje.«
    »Hab ich doch gesagt.«
    Er schüttelt den Kopf. »Warte hier, ich hole dir ein paar Früchte.«
    Bevor ich etwas erwidern kann, packt Eio den Ast eines anderen Baums und zieht sich hinauf. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis er sieben Meter hoch oben ist und immer noch weiterklettert. Ich beobachte ihn mit großen Augen und warte jeden Moment, dass er abrutscht und herunterkracht.
    Bald kann ich ihn nicht mehr sehen, weil Blätter ihn verdecken. Eine ganze Minute lang starre ich nach oben und beginne mich zu fragen, ob er seine Meinung geändert hat und mich jetzt mitten im Dschungel stehen lässt, anstatt mich nach Hause zu begleiten. Dann höre ich hinter mir ein Rascheln und einen leisen Schrei. Als ich mich rasch umdrehe, sehe ich, wie er sich an einer dicken Liane auf den Boden herunterlässt. Er landet locker mit gebeugten Knien und einer Ranke Aguajefrüchten über der Schulter.
    Mit einem Lächeln, das man nur als unverschämt bezeichnen kann, schält er geschickt eine Frucht und gibt sie mir. Ich merke, dass ich grinse wie ein Affe.
    »Hm. Danke.« Aguajefrüchte schmecken etwas streng. Sie gehören nicht gerade zu meinen Lieblingen unter den einheimischen Nahrungsmitteln. Aber was soll ich machen, wenn der Junge dreißig Meter hoch geklettert ist, um sie zu pflücken? »Isst du keine?«
    Er lacht. »Nein! Aguaje sind für Frauen. Wenn ein Mann zu viel davon isst, sieht er bald aus wie eine Frau.«
    »Das ist die unwissenschaftlichste Behauptung, die ich je gehört habe.«
    »Du kennst meinen Cousin Jacari nicht.« Eio lässt die Ranke mit den Früchten hin und her schwingen. »Zu viel Aguaje. Jetzt nehmen die Mütter ihn als Amme.«
    Mitten im Kauen bleibt mir der Mund offen stehen und ich starre ihn an. »Du nimmst mich auf den Arm.«
    Er lächelt. »Vielleicht.«
    Ich werfe den Aguajekern nach ihm und er fängt ihn lachend auf. Sein Lachen ist ansteckend. Ich kann nicht mehr aufhören. Alles, was er tut, jede Bewegung, jedes Wort ist so lebendig und fremdartig. Ich komme mir vor, als hätte ich eine faszinierende neue Spezies entdeckt. Homo ferus. Wilder Mensch. Ein unberechenbares nachtaktives Wesen, das sich meist in Bäumen aufhält. Vorsicht: Kann Verwirrung und Desorientierung hervorrufen. Auch neigt es zu Neckereien.
    Er pflückt noch eine Aguaje von der Ranke und wirft sie ein

Weitere Kostenlose Bücher