Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
Vom Netzwerk:
mit dir machen? Mit dir, dem Mädchen, das nicht bluten kann?
    Was würden sie tun? Mir das bisschen Freiheit nehmen, das ich habe? Der Gedanke beunruhigt mich zutiefst. Bisher habe ich mich mit dieser Frage nie wirklich beschäftigt. Was habe ich denn, das sie mir verweigern könnten?
    Sie würden mich ja bestimmt nicht einsperren oder so.
    Oder würden sie doch? Ein Schauer läuft mir über den Rücken.
    Auch wenn ich nicht mehr in den Dschungel gehe, muss ich immer daran denken, dass die Möglichkeit besteht. So wie ich die Karte unter dem Teppich verstecke. Selbst wenn ich sie dort ließe und nie mehr hervorholte, wüsste ich doch, dass sie da ist für den Fall, dass ich sie wirklich bräuchte.
    Gibst du dich damit zufrieden? Bist du bereit zu verdursten, wenn du ein Glas Wasser in Reichweite hast?
    Ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht. Ich drehe mich um und vergrabe mein Gesicht in Alais geflecktem Fell. In meinem ganzen Leben war ich noch nicht so durcheinander. Früher war es einfacher. Befasse dich mit der Biologie, Pia. Iss dein Abendbrot, Pia. Geh schlafen, Pia. Lass Onkel Paolo deinen Puls messen und deinen Speichel und deine Augen und Ohren und die Nase checken, Pia.
    Lauf, Pia.
    Ich verstehe nicht, wieso ich diesen Drang verspüre wegzulaufen. Es gibt keinen Grund dafür. In letzter Zeit jedoch wird dieser Wunsch immer stärker. Vielleicht hätte sich dieses Gefühl wieder verflüchtigt, wenn ich das Loch im Zaun nicht entdeckt hätte. Vielleicht ist es nur eine Phase.
    Vielleicht auch nicht.
    Ein neues Gefühl überkommt mich: Schuld. Wenn ich mir meiner Aufgabe hier in Little Cam so sicher bin, weshalb habe ich meinen kurzen Ausflug in die Freiheit dann so genossen? Du bist nicht dazu da, im Regenwald herumzurennen und dich mit Gedanken an männliche Dschungelbewohner von deiner Arbeit ablenken zu lassen, sage ich mir. Onkel Paolo hat recht. Ich bin noch nicht so weit. Ich bin zu undiszipliniert, zu leicht abzulenken. Ich muss mich in den Griff bekommen.
    Ich wünsche mir die Freiheit des Dschungels. Ich möchte jemanden erschaffen, der ist wie ich. Meine Träume schlingen sich einer um den anderen wie Pflanzen im Wettstreit um den besten Platz an der Sonne. Sie erwürgen sich gegenseitig in dem Versuch, die Oberhand zu gewinnen. Ich weiß, was ich wirklich will. Mein ganzes Leben lang habe ich gewusst, was ich mir wünsche. Doch jetzt ergreift ein neues Verlangen von mir Besitz, ein wilder, unkalkulierbarer Traum, der alles zunichtemachen könnte, wofür ich bisher gearbeitet habe.
    Was finde ich eigentlich an diesem Jungen? Ich erinnere mich an die tiefe Einsamkeit, die ich letzte Nacht auf meiner Party empfand, und an das Verlangen nach jemandem, der versteht, wie es ist, ewig zu leben. Eio ist nicht dieser Jemand. Kann dieser Jemand nie sein. Er ist wie alle anderen: kurzlebig, vergänglich. Ein Feuer, das hell lodert, ja, aber ein Feuer, das eines Tages erlischt.
    Ich erinnere mich, wie es war, als Clarence von seiner Frau sprach und dass sie bei einem Autounfall ums Leben kam. Ich erinnere mich an den Schmerz in seinem Blick und an das Zittern seiner Hände, als er von ihr erzählte. Ich merke, dass ich Angst habe – entsetzliche Angst –, jemanden auf diese Art zu verlieren. Ich stelle mir vor, dass Onkel Antonio oder Mutter plötzlich nicht mehr da sind, mir genommen von einer Kraft, die ich nie verstehen werde. Tod.
    Wieder überläuft mich ein Schauer.
    Wenn ich mein Herz an einen Sterblichen verliere, kann ich mich genauso gut an einen Blitz ketten. Mein Nacken verspannt sich, ich beuge mich vor, das Gesicht in den Händen, und starre vor mich hin, ohne etwas zu sehen.
    Aber… der Augenblick, als ich zum ersten Mal in diese blauen Augen schaute… das hatte mit einem Blitzschlag ganz und gar nichts zu tun.
    Es war eher so, als verschluckte ich einen Blitz. Ein Stromschlag in meinen Bauch.
    Ich dachte, ich hätte mein wildes Ich im Dschungel zurückgelassen oder seinen Hunger wenigstens für eine Weile gestillt. Aber wie es scheint, ist es dadurch, dass es Nahrung bekam, nur noch hungriger geworden. Ich bin nur noch hungriger geworden.
    Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt, dass ich eine seelische Störung entwickle wie etwa Schizophrenie. Es gibt nur eine Pia. Die wilde und die schüchterne Pia sind ein und dieselbe. Aber das Gefühl der Zerrissenheit verschwindet trotzdem nicht. Im Gegenteil, ich bin nur noch verwirrter.
    Onkel Paolo sagt immer, egal wie kompliziert eine DNA oder das

Weitere Kostenlose Bücher