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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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nervöses Flattern im Magen. »Du hast ihnen von mir erzählt?«
    »Es gibt keine Geheimnisse in Ai’oa.«
    Ich lasse ihn vorausgehen. Letzte Nacht bin ich im Zickzack durch den Dschungel gelaufen. Heute bringt Eio mich auf direktem Weg zum Dorf oder zumindest so direkt, wie man im Regenwald gehen kann. Wir müssen riesige Bäume umgehen und schlittern steile, laubbedeckte Hänge hinunter. Trotzdem dauert es nur ungefähr eine halbe Stunde, bis wir Ai’oa erreichen.
    Heute Abend sieht das Dorf ganz anders aus. Die Feuer brennen heller und ich sehe, dass Ai’oa größer ist, als es gestern schien. Mit Palmblättern gedeckte Hütten ohne Wände stehen in zwei langen Reihen nebeneinander. Sie sind kaum höher als ich groß bin. In jeder Hütte hängen zwischen fünf und zwanzig Hängematten, die jetzt alle leer sind. Bunte Stoffbänder flattern von den Stangen, auf denen das Dach aufliegt. Zwischen den Hängematten wurden Lianen gespannt, an denen bunt bemalte Töpferware baumelt.
    Die Feuerstellen sind gleichmäßig zwischen den Hütten verteilt und mir fällt auf, wie harmonisch alles geordnet ist. Je genauer ich hinschaue, desto deutlicher wird es. Aufbau und Lage der Hütten, Ausrichtung der Hängematten, selbst die an die Stangen geknüpften Bänder – alles wurde mit größter Sorgfalt platziert. Das Ergebnis ist eine wunderbare Ausgewogenheit.
    Ich muss das alles in wenigen Sekunden erfassen, denn die Ai’oaner ziehen den größten Teil meiner Aufmerksamkeit auf sich. Sie kommen aus den Hütten und hinter Bäumen hervor, stellen sich um die Feuerstellen herum auf und warten. Auf Eio und mich, nehme ich an.
    Ich bin überrascht, wie zierlich die Ai’oaner sind. Keiner ist so groß wie ich. Sie tragen eine seltsame Mischung aus traditioneller und moderner Kleidung. Einige tragen Shorts und T-Shirts wie wir in Little Cam, andere so gut wie nichts. Eine Frau trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck I LOVE NYC (wer ist NYC?, frage ich mich) und darunter einen Rock aus langem Gras.
    Eio führt mich zwischen den Hütten durch und bald bin ich umringt von Ai’oanern. Ich blicke mit großen Augen um mich und sie beäugen mich genauso. Ringsherum wird gemurmelt und geflüstert, doch jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, um zu sehen, wer etwas gesagt hat, blicke ich in unbewegte Gesichter und die Stimmen sind wieder nur hinter meinem Rücken zu hören. Alai scheint sie mehr zu faszinieren als ich.
    Es dauert eine Weile, bis ich die Männer von den Frauen unterscheiden kann. Schließlich erkenne ich das Geschlecht daran, dass die Frauen die Haare hüftlang tragen und mit Papageienfedern schmücken, während sie den Männern nur bis zum Nacken reichen. Der flache Pony reicht bei allen bis zu den Augenbrauen. Nur nicht bei Eio.
    Mein Führer stellt eine Anomalie dar. Beim flüchtigen Betrachten scheint er mit seiner Gesichtsbemalung und der nackten Brust einer von ihnen zu sein. Doch auf den zweiten Blick wirkt er genauso fehl am Platz wie ich. Sein Haar ist zu lockig, um sich dem ordentlichen Topfschnitt anzupassen, den der Stamm favorisiert. Die Ai’oaner haben platte Nasen und ihre Augen stehen leicht schräg. Eio dagegen könnte, was das Aussehen betrifft, genauso gut in Little Cam leben – was sicherlich etwas mit seiner gemischten Herkunft zu tun hat. Außerdem überragt er seine Leute um Kopf und Schultern, sodass ich ihn, auch als die Ai’oaner sich zwischen uns schieben, jederzeit leicht ausmachen kann. Ich brauche nur über ihre Köpfe hinwegzuschauen. Er beobachtet mich mit einem amüsierten Lächeln und ich frage ihn, was so komisch ist.
    »Sie halten dich für hässlich«, erklärt er, »wie alle anderen Karaíba.«
    »Ich bin nicht hässlich. Was ist ein Karaíba?«
    »Es bedeutet Fremder, aber sie meinen es nicht böse. Mich finden sie auch hässlich wegen der Ähnlichkeit mit meinem Papi.«
    Ich muss lachen. »Du bist aber auch hässlich!«, behaupte ich, nur um ihn zu ärgern.
    Plötzlich beginnen die Ai’oaner ebenfalls zu lachen. Ich weiß nicht, warum, bis Eio sich zu mir durchdrängelt und mir erklärt: »Die meisten sprechen Englisch. Papi hat es auch ihnen beigebracht.«
    »Oh.« Ich blicke in die Gesichter um mich herum. »Na, dann… hallo.«
    Ich höre ein paar gemurmelte Hallos und wieder Gelächter. Meine Nerven zittern nicht mehr ganz so heftig und ich bin nicht mehr so angespannt. Ein kleines Mädchen in blauen Shorts und mit einer Kette aus frischen Blüten um den Hals steht plötzlich neben

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