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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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von dem ich nicht einmal wusste, dass ich ihn in mir hatte.
    Ich vergesse, dass ich unsterblich bin und eigentlich nicht hier sein sollte. Ich vergesse Onkel Paolo und den armen Roosevelt. Ich vergesse, dass all diese Menschen irgendwann sterben werden und ich weiterlebe. Jetzt in diesen kostbaren Minuten gehöre ich dem Ringtanz. Ich gehöre in den Dschungel und zu den Ai’oanern und zu ihren berauschenden Feuern. Ich bin nicht Pia. Ich bin niemand. Ich bin nur ein weiterer Körper, der sich den Trommeln hingibt.
    Sich Eios Armen hingibt.
    Er wirbelt mich herum und fängt mich auf, und wo immer ich mich hindrehe, er ist da. Seine Berührungen sind wie Feuer, leicht und kaum zu spüren, aber sie gehen durch und durch. Seine Fingerspitzen brennen auf meinen Handgelenken und auf meiner Schulter. Nicht aufhören, denke ich. Bitte nicht aufhören! Meine Gedanken machen mir Angst – zumindest der einen, schüchternen Pia machen sie Angst. Doch in dieser Nacht bin ich die wilde Pia und nichts kann mich erschrecken, nicht einmal das Kribbeln, das mich überläuft, wenn unsere Blicke sich treffen.
    Doch auch wenn ich die ganze Nacht tanzen könnte, Eio ist bald erschöpft. Wir winden uns aus dem Kreis und lassen uns lachend auf den Boden fallen. Sofort kommen Kinder und bringen Früchte und Blumen. Ich nehme mir eine geröstete Kochbanane auf einem langen Stock und lächle das Mädchen, das sie mir angeboten hat, an. Sie lächelt ebenfalls, bevor sie kichernd wegläuft.
    »Eio, was glaubt der alte Mann in meinen Augen gesehen zu haben?«
    »Kapukiri?« Eio ist immer noch außer Atem. Er legt sich lang auf die Erde und schließt die Augen. »Er hat das Mal von Jaguar, Mantis und Mond gesehen. Das Zeichen der Kaluakoa.«
    »Aber was bedeutet das? Als ich mich das letzte Mal im Spiegel gesehen habe, waren meine Augen nicht anders als die anderer Leute.«
    Eio weist auf das Feuer vor uns. »Da liegt deine Antwort. Das Zeichen kann man nur im Schein eines Feuers sehen. Gibt es in deinem Dorf voller Wissenschaftler keine offenen Feuer?«
    Ich gäbe in diesem Moment alles für einen Spiegel. Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, ob ich ihm glauben soll, aber das finde ich nur heraus, wenn ich es mit eigenen Augen gesehen habe. »Du hast gesagt, sie glauben, ich sei gekommen, um sie zu retten. Was hast du damit gemeint? Wovor soll ich sie retten?«
    Er setzt sich wieder auf und zuckt mit den Schultern. »Wer weiß das schon? Vielleicht ist es noch gar nicht da. Aber weshalb sollten die Geister sonst eine Unvergängliche schicken?«
    Erschrocken rücke ich ein Stück weit ab. »Eine Unvergängliche…«
    Er erwidert meinen Blick gelassen, weicht nicht aus. Etwas in mir, etwas, das im Schein der Feuer lebendig wurde, zerbröckelt wieder. »Aber… woher hast du gewusst, was ich bin?«
    »Ich hab’s nicht gewusst. Es ist, wie Kapukiri sagt: Ich bin nur dem Ruf des Jaguars gefolgt. Aber Kapukiri hat das Mal von Jaguar, Mantis und Mond gesehen. Es ist das Zeichen der Kaluakoa und der Tapumiri. Der Unvergänglichen, die den Tod nicht kennen.«
    Eine seltsame Traurigkeit überkommt mich und die geröstete Banane erscheint mir plötzlich weniger köstlich. Dann weiß Eio also, was ich bin, und ich werde wieder zur unsterblichen, perfekten Pia. Einzigartig. Vollkommen anders. Vollkommen allein. Das Wort fährt wie ein Eiszapfen durch meinen Körper, prallt an den Rippen ab und bleibt im Magen liegen.
    Aber… ich war immer allein. Deshalb wünsche ich mir ja so sehr, weitere Unsterbliche zu erschaffen, damit ich es nicht mehr bin. Weshalb trifft dieses Wort mich also so schwer, in diesem Moment und an diesem Ort? Es hat noch nie so… wehgetan wie jetzt.
    Allein.
    Dann weiß ich es.
    Ich kam als Wissenschaftlerin und Fremde zu den Ai’oanern, doch das war auch schon alles, was uns unterschied. Als diese wilden, temperamentvollen Geschöpfe des Dschungels mich in ihren Tanz aufnahmen, ließ ich die Wissenschaftlerin hinter mir. Ich wurde zu etwas anderem, zu einem neuen Menschen. Der sich einfügte, anstatt außen vor zu bleiben. Obwohl wir uns kaum kannten, bestand eine… Verbindung zwischen diesen Ai’oanern und mir. Und für kurze Zeit… gehörte ich dazu.
    Doch dann drängte sich die Wirklichkeit wie ein Messer dazwischen und durchtrennte die zarten Bande. Ich bin eine Unsterbliche unter Sterblichen und werde nie dazugehören. Nicht hier. Nicht in Little Cam. Nirgendwo, außer bei meinesgleichen.
    Plötzlich will Eio

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