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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sich nichts Ungewöhnliches. Vorzeitige Wehen sind nicht selten, es gibt keine wirkungsvolle Behandlung, und meistens wissen die Gynäkologen nicht, wodurch sie ausgelöst wurden. Aber bei Ihrer Mandantin wurden sie höchstwahrscheinlich durch die Chorioamnionitis ausgelöst.« Ellie starrte ihn verständnislos an. »Die Diagnose beruht auf der pathologischen Untersuchung, nicht auf einer bakteriellen. Es bedeutet, daß eine akute Entzündung der Amnionhäute und Zotten vorlag.«
    »Und was hat die Chorioamnionitis ausgelöst? Was meint der Gerichtsmediziner dazu?«
    »Gar nichts. Er setzt voraus, daß das Fetusgewebe und die Plazenta kontaminiert waren, daher wurde die Ursache nicht isoliert und identifiziert.«
    »Wodurch wird Chorioamnionitis normalerweise ausgelöst?«
    »Geschlechtsverkehr«, sagte Owen. »Die meisten infektiösen Agenzien, die sie verursachen, sind Bakterien, die ständig in der Vagina leben. Wenn man zwei und zwei zusammenzählt –« Er zuckte die Achseln.
    »Und wenn Geschlechtsverkehr nicht in Frage kommt?«
    »Dann muß ein infektiöses Agens auf anderem Wege eingewandert sein – beispielsweise durch den Blutkreislauf der Mutter oder durch eine Harnwegsinfektion. Aber gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte?« Owen tippte auf eine Seite des Berichts. »Hier bleib ich immer wieder hängen«, gab er zu. »Die Leberbefunde wurden übersehen. Es ist die Rede von Nekrose – Zelltod –, aber kein Hinweis auf eine entzündliche Reaktion.«
    »Übersetzung für diejenigen unter uns, die des Pathologie-Chinesischen nicht mächtig sind?«
    »Der Gerichtsmediziner ist davon ausgegangen, daß die Lebernekrose auf Asphyxie, also Sauerstoffmangel, zurückzuführen ist – die mutmaßliche Todesursache. Aber das stimmt nicht – diese Läsionen passen da nicht rein; sie deuten auf etwas anderes hin als auf Asphyxie. Manchmal kommt es durch Anoxie zu einer hämorrhagischen Nekrose, aber eine reine Nekrose, das ist ungewöhnlich.«
    »Und wann kommt sie überhaupt vor?«
    »Bei angeborenen Herzfehlern, was bei dem Baby hier nicht der Fall war – oder bei einer Infektion. Die Nekrose kann schon eingetreten sein, etliche Stunden bevor der Körper eine entzündliche Reaktion auf eine Infektion zeigt, die ein Pathologe feststellen kann – und möglicherweise ist das Baby gestorben, bevor das passierte. Ich lasse mir die Gewebeblöckchen aus der Gerichtsmedizin schicken und mache eine Gramfärbung. Mal sehen, was dabei rauskommt.«
    Ellie stockte. »Wollen Sie damit sagen, daß das Baby möglicherweise an dieser geheimnisvollen Infektion gestorben ist und nicht an Erstickung?«
    »Ja«, sagte der Pathologe. »Ich melde mich dann bei Ihnen.«
    In der Nacht sollte es Frost geben. Das hatte Sarah von Rachel Yoder gehört, die es von Alma Beiler gehört hatte, deren arthritische Knie jedes Jahr vor dem ersten Temperatursturz auf Melonengröße anschwollen. Katie und Ellie wurden in den Garten geschickt, um das letzte Gemüse zu ernten – Tomaten und Kürbisse und faustdicke Möhren. Katie sammelte alles in ihrer Schürze; Ellie hatte einen Korb aus dem Haus mitgenommen. Sie sah unter den breiten Zucchiniblättern nach Nachzüglern. »Als ich klein war«, sagte sie ganz in Gedanken, »hab ich geglaubt, daß die kleinen Kinder auf solchen Beeten wachsen.«
    Katie lächelte. »Ich hab gedacht, Babys kämen aus dicken Nadeln.«
    »Spritzen?«
    »Ja. So waren unsere Kühe schwanger geworden; ich hatte dabei zugesehen.« Auch Ellie hatte es inzwischen gesehen; künstliche Besamung war die sicherste Zuchtmethode für Milchkühe. Katie lachte laut auf. »Meine Güte, was hab ich für einen Aufstand gemacht, als meine Mam mich zur Grippeimpfung bringen wollte.«
    Ellie schmunzelte, dann schnitt sie mit einem Messer einen Kürbis ab. »Als ich dahinterkam, wie das mit den Babys wirklich geht, wollte ich es gar nicht glauben. Mir kam das zu unwahrscheinlich vor.«
    »Inzwischen denke ich nicht mehr drüber nach, wo die Babys herkommen«, murmelte Katie. »Ich frage mich, wo sie hingehen.«
    Ellie legte ihr Messer weg. »Du hast doch nicht vor, schon wieder ein Geständnis zu machen?«
    Katie lächelte traurig und schüttelte den Kopf. »Nein. Deine Verteidigungsstrategie ist gerettet.«
    »Welche Strategie denn?« brummte Ellie, doch als sie Katies ängstlichen Blick sah, sagte sie rasch: »Tut mir leid. Ich weiß nur nicht recht, was ich jetzt mit dir machen soll.« Ellie hockte sich zwischen die Reihen von

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