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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Stangenbohnen. »Wenn ich den Gerichtssaal nie betreten hätte – wenn ich zugelassen hätte, daß du dich so verteidigst, wie du es wolltest –, wärst du für nicht verhandlungsfähig erklärt worden. Man hätte dich höchstwahrscheinlich freigesprochen, mit der Auflage, dich psychiatrisch behandeln zu lassen.«
    »Ich bin nicht verhandlungsunfähig, und das weißt du«, sagte Katie verstockt.
    »Ja, und auch nicht unzurechnungsfähig. Das hatten wir schon.«
    »Außerdem bin ich ehrlich.«
    »Amisch?« Ellie hatte sie falsch verstanden. »Das werden die Geschworenen merken, wenn sie deine Kleidung sehen.«
    »Ich hab ehrlich gesagt. Aber amisch bin ich auch.«
    Ellie zog an einer Möhre. »Das ist ja wohl fast bedeutungsgleich.« Sie zog erneut, und als die Möhre aus der Erde flog, wurde ihr plötzlich klar, was sie eben gesagt hatte. »Mein Gott, Katie, du bist eine Amische.«
    Katie sah sie erstaunt an. »Wenn du das jetzt erst merkst, weiß ich nicht –«
    »Das ist unsere Verteidigung.« Ein Grinsen breitete sich auf Ellies Gesicht aus. »Gehen amische Männer zur Armee?«
    »Nein. Sie lehnen den Militärdienst aus Gewissensgründen ab.«
    »Warum?«
    »Weil Gewalt uns fremd ist«, erwiderte Katie.
    »Genau. Die Amischen leben streng nach den Lehren Christi. Das heißt, sie halten auch die andere Wange hin, genau wie Jesus – nicht bloß sonntags, sondern jede einzelne Minute des Tages.«
    Katie war verwirrt: »Worauf willst du hinaus?«
    »Das wird den Geschworenen auch so gehen, aber wenn ich fertig bin, haben sie’s verstanden, da wette ich drauf«, sagte Ellie. »Weißt du, warum du die erste amische Mordverdächtige in East Paradise bist, Katie? Ganz einfach: Weil kein Amischer je einen Mord begehen würde.«
    Dr. Owen Zeigler mochte Ellie Hathaway. Er hatte schon einmal mit ihr zusammengearbeitet. Damals war es um einen gewalttätigen Ehemann gegangen, der seine Frau so brutal geschlagen hatte, daß sie ihren vierundzwanzig Wochen alten Fetus verloren hatte. Er mochte ihren sachlichen Stil, ihren androgynen Haarschnitt und ihre Beine, die fast bis zum Hals zu reichen schienen – was anatomisch zwar unmöglich, aber dennoch ausgesprochen reizvoll war. Er hatte keine Ahnung, wer oder was ihre Mandantin diesmal war, aber so, wie es aussah, würde Ellie Hathaway sie durch den Nachweis berechtigter Zweifel freibekommen – wenn auch knapp.
    Unter dem Mikroskop betrachtete Owen die Ergebnisse der Gramfärbung. Er sah Flecken von dunkelblauen, grampositiven kurzen Stäbchen. Den Kulturergebnissen der Autopsie zufolge waren diese als diphtheroide Erreger identifiziert worden. Aber es gab so unglaublich viele von ihnen, daß Owen sich fragte, ob es sich tatsächlich um diphtheroide Erreger handelte.
    Im Grunde hatte Ellie diese Zweifel bei ihm gesät. Was, wenn diese grampositiven Stäbchen auf ein infektiöses Agens hindeuteten? Kugelförmige Bakterien konnten leicht mit stäbchenförmigen diphtheroiden Erregern verwechselt werden, vor allem, wenn der Mikrobiologe bei dem Test keine Gramfärbung vorgenommen hatte.
    Er zog den Objektträger unter dem Mikroskop hervor und ging damit über den Gang zu dem Labor, in dem Bono Gerhardt arbeitete. Als Owen eintrat, saß der Mikrobiologe über einen Katalog von Reagenzien gebeugt. »Suchst du dir neue Knollen für den Garten aus?«
    Gerhardt lachte. »Ja, ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich Tulpen, Herpes-Simplex-Viren oder Cytokeratin nehmen soll.« Er deutete mit dem Kinn auf den Objektträger in Owens Hand. »Was hast du da?«
    »Ich denke, entweder beta-hämolysierende B-streptokokken oder Listerien«, sagte Owen. »Aber ich hoffe, du kannst mir das genau sagen.«
    Jeden Tag um kurz vor zehn am Abend ließen die Mitglieder der Familie Fisher alles stehen und liegen und knieten in der Mitte des Wohnzimmers nieder. Elam sprach ein kurzes Gebet auf deitsch , und die anderen neigten schweigend den Kopf, richteten ihre Gedanken auf Gott. Ellie erlebte das nun schon seit Monaten mit und mußte dabei stets an jenes erste Gespräch denken, das die argwöhnische Sarah mit ihr über ihren Glauben geführt hatte. Das Unbehagen, das sie anfänglich empfunden hatte, war zunächst Neugier und dann Gleichgültigkeit gewichen – sie widmete sich ihrer Lektüre und ging zu Bett, wenn die anderen sich wieder erhoben.
    Als Elam an diesem Abend das Vaterunser sprach, tat er es in Englisch. Überrascht bewegte Ellie unwillkürlich die Lippen mit. Sarah sah Ellie an

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