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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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meinst du, was jetzt passiert?«
    Samuel zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
    »Ich hoffe, sie wird wieder gesund«, sagte Levi ernst, dann sprang er aus der Kutsche und rannte ins Haus.
    Samuel fuhr weiter die Straße hinunter, bog aber dann nicht zum Haus seiner Eltern ab. Inzwischen hatten sie bestimmt von Katie erfahren und warteten mit Fragen auf ihn. Er fuhr in die Stadt und band sein Pferd vor Zimmermann’s Hardware an. Statt jedoch in den Laden zu gehen, schlenderte er um das Haus herum und in das Maisfeld, das sich dahinter erstreckte. Er riß sich den Hut vom Kopf und fing an zu rennen, wobei ihm die Stengel ins Gesicht und gegen den Oberkörper schlugen. Er rannte, bis er die rauschende Musik seines eigenen Herzens hören konnte; bis es ihm unmöglich war, seine Atmung zu kontrollieren, geschweige denn seine Gefühle.
    Dann ließ er sich keuchend ins Feld sinken. Er starrte in das schwache Blau des Abendhimmels und ließ seinen Tränen freien Lauf.
    Ellie blätterte gerade durch eine Ausgabe von ›Good Housekeeping‹, als ihre Tante nach Hause kam. »Alles in Ordnung? Du bist ja losgestürmt wie der Blitz.« Dann sah sie Leda – verkniffen, blaß, geistesabwesend. »Ich vermute, daß nicht alles in Ordnung ist.«
    Leda ließ sich in einen Sessel fallen, ihre Tasche rutschte ihr von der Schulter. Sie schloß die Augen, schwieg.
    »Du machst mir angst«, sagte Ellie mit einem nervösen Lachen. »Was ist denn bloß los?«
    Leda riß sich spürbar zusammen, stand auf und fing an, im Kühlschrank herumzusuchen. »Zum Abendessen mach ich uns einen Salat«, sagte sie. »Was meinst du?«
    »Ich meine, daß es erst drei Uhr nachmittags ist.« Ellie nahm Leda das Messer aus der Hand. »Raus mit der Sprache.«
    »Meine Nichte ist im Krankenhaus.«
    »Du hast doch gar keine andere – oh!« Es dämmerte Ellie, daß es sich um die Familie handeln mußte, von der Leda nicht sprach; die sie verlassen hatte. »Ist sie … krank?«
    »Sie wäre fast bei der Geburt eines Kindes gestorben.«
    Ellie wußte nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie konnte sich nichts Tragischeres vorstellen, als zu gebären und sich dann nicht an dem Wunder erfreuen zu können.
    »Sie ist erst achtzehn, Ellie.« Leda zögerte, spreizte die Finger auf dem Hackbrett. »Sie ist nicht verheiratet.«
    »Dann war es also Abtreibung?«
    »Nein, es war ein Baby.«
    »Natürlich«, pflichtete Ellie hastig bei. »Wie weit war sie?«
    »Fast im achten Monat«, sagte Leda.
    Ellie sah sie verblüfft an. »Im achten Monat?«
    »Und jetzt hat man die Leiche des Kindes entdeckt, ohne daß überhaupt jemand gemerkt hat, daß sie schwanger war.«
    Elli verspürte ein leises Kribbeln in ihrem Kreuz. Sie ermahnte sich, es zu ignorieren. Sie war hier schließlich nicht in Philadelphia; es ging nicht um eine cracksüchtige Mutter, sondern um ein junges Amisch-Mädchen. »Also eine Totgeburt«, sagte Ellie voller Mitgefühl. »Wie traurig.«
    Leda wandte Ellie den Rücken zu, schwieg einen Moment. »Auf der Fahrt hierher habe ich mir fest vorgenommen, daß ich das nicht tun werde, was ich gleich tue, aber ich liebe Katie genauso wie dich.« Sie atmete tief durch. »Ellie, es besteht die Möglichkeit, daß das Baby nicht tot zur Welt gekommen ist.«
    »Nein.« Das Wort schoß aus Ellies Mund, leise und eindringlich. »Ich kann nicht. Bitte mich nicht darum, Leda.«
    »Es gibt sonst niemanden. Es geht hier nicht um Menschen, die mit dem Gesetz vertraut sind. Wenn die Sache meiner Schwester überlassen bleibt, landet Katie im Gefängnis, ob sie schuldig ist oder nicht, weil es nicht in ihrer Natur liegt, sich zu wehren.» Leda starrte sie aus brennenden Augen an. »Sie vertrauen mir, und ich vertraue dir.«
    »Zunächst mal, es liegt noch gar keine offizielle Anklage vor. Zweitens, selbst wenn, ich könnte sie nicht verteidigen, Leda. Ich kenne weder sie, noch weiß ich, wie sie lebt.«
    »Lebst du vielleicht auf der Straße, wie die Drogendealer, die du verteidigst? Oder in einer schicken Villa, wie der Schuldirektor, für den du einen Freispruch rausgeschlagen hast?«
    »Das ist was anderes, und das weißt du auch.« Es spielte keine Rolle, daß Ledas Nichte das Recht auf kompetenten rechtlichen Beistand hatte. Es spielte keine Rolle, daß Ellie andere verteidigt hatte, denen ähnlich widerwärtige Verbrechen zur Last gelegt worden waren. Drogen und Pädophilie und bewaffneter Raubüberfall gingen ihr nicht so nahe.
    »Aber sie ist unschuldig, Ellie!«
    Das

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