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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Sonne. »Wollen wir uns ein bißchen die Beine vertreten?«
    Die drei Männer gingen in Richtung Sarahs Gemüsegarten. Dort ließ Elam sich auf eine Steinbank nieder und bedeutete Ephram, ebenfalls Platz zu nehmen. Doch der Bischof schüttelte den Kopf und blickte nachdenklich über die hohen Köpfe der Tomatenpflanzen und die rankenden Stangenbohnen, zwischen denen ein kleiner Glühwürmchenschwarm tanzte. Sie glimmten und wirbelten, als hätte jemand eine Handvoll Sternchen hochgeworfen.
    »Ich weiß noch, wie ich einmal hier war, vor Jahren, und zugesehen habe, wie Jacob und Katie Leuchtkäfer gejagt haben«, sagte Ephram. »Sie haben sie in einem Glas gefangen.« Er lachte auf. »Jacob hat gesagt, sie würden eine amische Taschenlampe machen. Hast du in letzter Zeit mal was von Jacob gehört?«
    »Nein, und so soll es auch sein«, sagte Aaron leise.
    Ephram schüttelte den Kopf. »Er ist aus der Gemeinde verbannt worden, Aaron. Nicht aus deinem Leben.«
    »Das ist für mich ein und dasselbe.«
    »Das verstehe ich nicht, weißt du. Denn Vergebung ist die allererste Pflicht.« Aaron richtete seinen Blick auf den Bischof. »Bist du hergekommen, um über Jacob zu sprechen?«
    »Hm, nein«, gab Ephram zu. »Nachdem du heute morgen bei mir warst, Elam, bin ich zu John Zimmermann und Martin Lapp gegangen. Die beiden meinen, wenn die Polizei den ganzen Tag hier war, müssen sie Katie verdächtigen. Entscheidend wird auf jeden Fall sein, ob das Baby lebend geboren wurde. Wenn ja, wird man ihr die Schuld an seinem Tod geben.« Er sah Aaron ernst an. »Sie haben vorgeschlagen, daß du mit einem Anwalt sprichst, um auf alles vorbereitet zu sein.«
    »Meine Katie braucht keinen Anwalt.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte der Bischof. »Aber falls doch, wird die Gemeinde hinter ihr stehen.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Sie wird sich während dieser Zeit zurückziehen müssen, verstehst du?« Elam blickte auf. »Nur auf die Kommunion verzichten? Sie wird nicht unter Bann gestellt?«
    »Ich muß natürlich erst mit Samuel sprechen und dann noch mal drüber nachdenken.« Ephram legte eine Hand auf Aarons Schulter. »Es ist nicht das erste Mal, daß ein junges Paar seine Hochzeitsnacht vorweggenommen hat. Es ist eine Tragödie, daß das Baby gestorben ist, keine Frage. Aber großer Kummer kann eine Ehe ebenso festigen wie gemeinsames Glück. Und was das andere betrifft, das Katie vielleicht zur Last gelegt wird – also das glaubt keiner von uns.«
    Aaron wandte sich ab. »Danke. Aber wir werden keinen Anwalt für Katie nehmen, sondern die Gerichte der Englischen über uns ergehen lassen. Das ist nun mal unsere Art.«
    »Aaron, Aaron, wieso mußt du bloß immer eine Grenze ziehen und andere herausfordern, diese zu überschreiten?« seufzte Ephram. » Das ist nicht unsere Art.«
    »Wenn ihr mich bitte entschuldigt, ich muß arbeiten.« Aaron nickte dem Bischof und seinem Vater zu und schritt in Richtung Stall davon. Die beiden älteren Männer sahen ihm schweigend nach. »Diese Unterhaltung hast du schon einmal mit ihm geführt«, stellte Elam Fisher fest.
    Der Bischof lächelte traurig. »Ja. Und auch damals hätte ich genauso gut mit einer Wand aus Stein reden können.«
    Katie träumte, daß sie fiel. Aus dem Himmel, wie ein Vogel mit gebrochenem Flügel, und die Erde jagte ihr entgegen. Ihr Herz schlug ihr bis zur Kehle, erstickte den Schrei, und im allerletzten Moment erkannte sie, daß sie auf den Stall zuraste, die Felder, ihr Zuhause. Sie schloß die Augen und prallte auf, und alles zerplatzte wie eine Eierschale, so daß sie, als sie sich umsah, nichts mehr wiedererkannte.
    Katie blinzelte in die Dunkelheit und versuchte, sich im Bett aufzusetzen. Drähte und Plastikschläuche wuchsen wie Wurzeln aus ihrem Körper. Ihr Bauch fühlte sich wund an, ihre Arme und Beine schwer. Der Mond stand wie ein kleines Komma am Himmel, zusammen mit einigen wenigen Sternen. Katie schob die Hand unter die Decke und legte sie auf den Bauch. »Ich hab kenn Kind g’hatt« , flüsterte sie.
    Tränen fielen auf die Bettdecke. »Ich hab kenn Kind g’hatt. Ich hab kenn Kind g’hatt« , murmelte sie immer und immer wieder, bis die Worte zu einem Singsang verschmolzen, zum Schlaflied eines Engels.
    Das Faxgerät bei Lizzie zu Hause piepste kurz nach Mitternacht, als sie gerade auf ihrem Laufband trainierte. Das Adrenalin hielt sie ohnehin wach und eignete sich wunderbar für ein bißchen Fitneß; vielleicht war sie ja danach müde genug,

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