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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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war einmal, vor langer Zeit, der Grund gewesen, warum Ellie Anwältin geworden war – um Seelen zu retten. Doch die Mandanten, deren Freispruch sie erreicht hatte und die wirklich unschuldig gewesen waren, konnte Ellie an einer Hand abzählen. Sie wußte inzwischen, daß die meisten ihrer Mandanten schuldig im Sinne der Anklage gewesen waren – wenngleich jeder von ihnen bis ans Ende seiner Tage beteuern würde, daß er keine andere Wahl hatte.
    »Ich kann den Fall deiner Nichte nicht annehmen«, sagte Ellie leise. »Ich würde ihr einen schlechten Dienst erweisen.«
    »Versprich mir nur, daß du darüber nachdenken wirst.«
    »Ich werde nicht darüber nachdenken. Und ich werde vergessen, daß du mich darum gebeten hast.« Ellie ging aus der Küche, riß sich förmlich von Ledas Enttäuschung los.
    Samuels kräftige Gestalt füllte den Türrahmen des Krankenhauszimmers, und Katie mußte daran denken, daß sie sich manchmal sogar dann neben ihm eingeengt fühlte, wenn sie auf einem freien Feld standen. Sie lächelte unsicher. »Komm rein.«
    Er trat ans Bett, ließ die Krempe seines Strohhuts durch die Hände gleiten. Dann neigte er den Kopf, und seine Wangen bekamen leuchtendrote Flecken. »Alles in Ordnung?«
    »Mir geht’s gut«, antwortete Katie. Sie biß sich auf die Lippe, als Samuel einen Stuhl heranzog und sich neben sie setzte.
    »Wo ist deine Mutter?«
    »Nach Hause gefahren. Tante Leda hat ihr ein Taxi gerufen, weil Mam das Gefühl hatte, es wäre nicht richtig, mit ihr im selben Wagen zu fahren.«
    Samuel nickte verständnisvoll. Es gab einen Taxiservice der Mennoniten, der auch Amische über längere Strecken beförderte und dabei Highways benutzte, auf denen Kutschen nicht erlaubt waren. Da Leda mit dem Bann belegt war, hätte auch Samuel sich nicht gerne von ihr mitnehmen lassen.
    »Wie … wie geht’s denn so zu Hause?«
    »Viel zu tun.« Samuel wählte seine Worte mit Bedacht. »Heute haben wir zum dritten Mal Heu geschnitten.« Zögernd fügte er hinzu. »Die Polizei, die ist immer noch auf der Farm.« Er blickte starr auf Katies Faust, klein und rosa auf der Polyesterdecke. Sacht nahm er sie in seine Hände und führte sie an sein Gesicht.
    Katie legte die Hand flach an seine Wange; Samuel schmiegte sich in ihre Berührung. Mit glänzenden Augen öffnete sie den Mund, um etwas zu sagen, aber Samuel hielt sie davon ab, indem er ihr einen Finger auf die Lippen legte. »Pssst«, sagte er. »Nicht jetzt.«
    »Aber du hast bestimmt einiges gehört«, flüsterte Katie.
    »Ich achte nicht darauf, was ich gehört habe. Ich achte nur auf das, was du mir zu sagen hast.«
    Katie schluckte. »Samuel, ich hab kein Kind bekommen.«
    Er sah sie einen Moment lang an, dann drückte er ihre Hand. »Dann ist es gut.«
    Katies Augen suchten seinen Blick. »Glaubst du mir?«
    Samuel strich die Decke über ihren Beinen glatt, packte sie gut ein, wie ein kleines Kind. Er starrte auf die glänzende Flut ihrer Haare und dachte, daß er sie so leuchtend und offen nicht mehr gesehen hatte, seit sie beide Kinder waren. »Ich muß ja«, sagte er.
    Der Bischof in Elam Fishers Gemeindebezirk war zufällig sein Vetter. Der alte Ephram Stoltzfus war ein so selbstverständlicher Bestandteil des täglichen Leben, daß er sogar, wenn er als Kopf der Gemeinde auftrat, ungewöhnlich leutselig war – seine Kutsche an den Straßenrand lenkte, um ein Schwätzchen zu halten, oder mitten auf dem Feld von seinem Pflug sprang, um etwas zu besprechen. Als Elam ihn früher am Tage aufgesucht hatte, um ihm zu erzählen, was auf der Farm passiert war, hatte er ihm aufmerksam zugehört und dann gesagt, er müsse mit einigen anderen Rücksprache halten. Elam hatte angenommen, Ephram hätte den Diakon des Gemeindebezirks oder zwei Prediger gemeint, doch der Bischof hatte den Kopf geschüttelt. »Die Geschäftsleute«, hatte er gesagt. »Die wissen, wie die englische Polizei arbeitet.«
    Kurz nach dem Abendbrot, als Sarah gerade den Tisch abräumte, fuhr Bischof Ephrams Kutsche vor. Elam und Aaron sahen einander kurz an, dann gingen sie hinaus, um ihn zu begrüßen. »Ephram«, sagte Aaron und schüttelte ihm die Hand, sobald er sein Pferd angebunden hatte.
    »Aaron. Wie geht’s Katie?« Aaron erstarrte für einen Moment. »Wie ich höre, wird sie wieder gesund.«
    »Warst du nicht im Krankenhaus?« erkundigte sich Ephram. Aaron wandte den Blick ab. »Nee.«
    Der Bischof neigte den Kopf, und sein weißer Bart leuchtete in der untergehenden

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