Die einzige Wahrheit
er zwischen ihren Beinen lag und aus Leibeskräften schrie. Da hatte sie bereits gewußt, daß irgend etwas nicht stimmte. Sie hatte es nicht aussprechen wollen, aber sie hatte gesehen, wie seine Brust und sein ganzer Bauch sich abgemüht hatten, Luft einzusaugen.
Doch sie hatte ihm nicht helfen können, genausowenig, wie sie hatte verhindern können, daß Hannah unterging oder daß Jacob fortgeschickt wurde oder daß Adam sie verließ.
Katie sah zum Himmel hinauf, vor dem sich die scharfen Konturen der nackten Äste abzeichneten. Und sie erkannte, daß diese Tragödien erst aufhören würden, wenn sie beichtete.
Ellie hatte Mandanten verteidigt, die schuldig gewesen waren, sogar etliche, die sie offen angelogen hatten, und dennoch konnte sie sich nicht daran erinnern, sich jemals so verraten gefühlt zu haben. Wutschäumend stolperte sie die Zufahrt hoch, wütend auf Katie, die sie getäuscht hatte, auf Leda, die sie drei Meilen weit entfernt abgesetzt hatte, auf ihre eigene Kondition, die so jämmerlich war, daß sie schon nach kurzen Strecken keine Luft mehr bekam.
Es ist nichts Persönliches, rief sie sich in Erinnerung. Es ist rein beruflich. Sie fand Katie am Teich. »Würdest du mir erklären, wie du das vorhin gemeint hast?« fragte Ellie, die Hände auf die Knie gestützt und heftig keuchend.
»Du hast mich schon verstanden«, sagte Katie abweisend.
»Sag mir, warum du das Baby getötet hast, Katie.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich will keine Entschuldigungen mehr vorbringen. Ich will den Geschworenen einfach nur sagen, was ich dir gesagt habe, damit das endlich vorbei ist.«
»Es den Geschworenen sagen?« stotterte Ellie. »Nur über meine Leiche.«
»Nein«, sagte Katie und wurde dabei blaß. »Du darfst mich nicht daran hindern.«
»Und ob ich dich daran hindere, daß du in den Zeugenstand trittst und dem Gericht erzählst, du hättest dein Baby umgebracht.«
»Am Anfang wolltest du mich doch auch aussagen lassen!« »Da hattest du aber eine andere Geschichte parat. Du hast gesagt, du wolltest die Wahrheit sagen, allen sagen, daß du keinen Mord begangen hast. Es ist doch wohl ein gewaltiger Unterschied, ob ich dich als eine Zeugin aufrufe, die nicht alles kaputtmacht, was ich mit meiner Strategie aufgebaut habe, oder als eine, die praktisch juristischen Selbstmord begeht.«
»Ellie«, sagte Katie verzweifelt. »Ich muß bekennen.«
»Das Gericht ist nicht deine Gemeinde!« rief Ellie. »Wie oft muß ich dir das noch sagen? Hier geht es nicht darum, sechs Wochen aus der Gemeinde ausgeschlossen zu werden. Hier geht es um Jahre. Vielleicht dein ganzes Leben. Im Gefängnis.« Sie schluckte ihren Zorn hinunter und holte tief Luft. »Es wäre etwas anderes gewesen, wenn die Geschworenen dich gesehen, von deinem Schmerz erfahren hätten. Wenn sie deine Beteuerung gehört hätten, daß du unschuldig bist. Aber was du mir eben erzählt hast …« Ihre Stimme erstarb, und sie wandte den Blick ab. »Dich in den Zeugenstand zu rufen wäre von mir als Anwältin unverantwortlich.«
»Sie können mich doch trotzdem sehen und hören, und sie können von meinem Schmerz erfahren.«
»Ja, und das alles ist für die Katz, sobald ich dich frage, ob du das Baby getötet hast.«
»Dann stell mir die Frage nicht.«
»Wenn ich es nicht tue, tut George es. Und sobald du im Zeugenstand bist, kannst du nicht lügen.« Ellie seufzte. »Du kannst nicht lügen – und du kannst auch nicht sagen, daß du das Baby getötet hast, sonst wanderst du ins Gefängnis.«
Katie starrte auf ihre Füße. »Jacob hat gesagt, du könntest mich nicht davon abhalten, vor Gericht auszusagen.«
»Ich kann auch ohne deine Aussage einen Freispruch erreichen. Bitte, Katie. Tu dir das nicht an.«
Katie sah sie ruhig an. »Ich werde morgen als Zeugin aussagen. Ich will es so, auch wenn es dir nicht gefällt.«
»Von wem erhoffst du dir denn Vergebung?« explodierte Ellie. »Von den Geschworenen? Der Richterin? Das kannst du vergessen. Für die bist du dann bloß noch ein Ungeheuer.«
»Aber für dich nicht, oder?«
Ellie schüttelte den Kopf, unfähig zu antworten.
»Was ist?« drängte Katie. »Sag mir, was du denkst.«
»Daß es eine Sache ist, deine Anwältin zu belügen, aber eine andere, deine Freundin zu belügen.« Ellie stand auf. »Ich setze eine Haftungsausschlußerklärung auf, die du mir bitte unterschreibst. Darin steht, daß ich dir von diesem Schritt abgeraten habe«, sagte sie kühl und ging.
»Ich glaub es
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