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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Krug griff, darin Milch befand – und nicht Orangensaft oder Wasser oder Cola?«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Sind noch andere aus dem Haushalt der Angeklagten an Listeriose erkrankt?«
    »Ich wurde nicht gebeten, Gewebeproben zu untersuchen«, sagte Owen. »Daher kann ich Ihnen das nicht beantworten.«
    »Dann lassen Sie es mich Ihnen mitteilen: Nein. Außer der Angeklagten hatte niemand in der Familie Symptome dieser mysteriösen Krankheit. Ist es nicht seltsam, daß nicht die ganze Familie die gleiche körperliche Reaktion auf das Bakterium zeigt, obwohl sie alle von derselben infizierten Milch trinken?«
    »Nicht unbedingt. Schwangerschaft ist ein Zustand der Immunosuppression, das heißt, das Immunsystem ist weitgehend lahmgelegt, und Listeriose bricht nur in immungeschwächten Körpern aus. Wenn jemand im selben Haushalt Krebs hätte oder HIV-infiziert oder sehr alt oder sehr jung wäre – das alles sind Voraussetzungen für eine Schwächung des Immunsystems –, hätte sein Organismus ähnlich reagieren können, wie der von Ms. Fisher es anscheinend getan hat.«
    »Anscheinend« , wiederholte George. »Wollen Sie damit andeuten, Doktor, daß sie diese Krankheit vielleicht doch nicht hatte?«
    »Nein, sie war eindeutig an Listeriose erkrankt. Die Plazenta und das Neugeborene waren infiziert, und der Erreger kann nur von der Mutter gekommen sein.«
    »Ist es möglich, eindeutig nachzuweisen, daß das Neugeborene an Listeriose erkrankt war?«
    Owen dachte nach. »Wir wissen, daß das Neugeborene mit Listeria infiziert war, das hat die Gramfärbung eindeutig erwiesen.«
    »Können Sie beweisen, daß das Neugeborene an Komplikationen gestorben ist, die auf die Listeriose zurückzuführen sind?«
    »Das Bakterium ist tödlich«, erwiderte Owen. »Es verursacht eine Infektion in der Leber, in der Lunge, im Gehirn oder in anderen Organen. Je nachdem, wie stark welche Organe befallen sind, kann es von Patient zu Patient verschieden sein, welches erkrankte Organ letztlich den Tod herbeiführt. Im Falle des Neugeborenen Fisher war es Atemstillstand.«
    »Das Baby ist an Atemversagen gestorben?«
    »Ja«, sagte Owen. »Atemversagen als Folge einer Infektion der Atmungsorgane.«
    »Aber es ist doch richtig, daß eine Infektion der Atmungsorgane nur eine Ursache für Atemversagen ist?«
    »Ja.«
    »Ist Ersticken auch eine Ursache für Atemstillstand?«
    »Ja.«
    »Wäre es daher möglich, daß das Baby mit Listeria infiziert war, daß das Bakterium in seinem Körper und seiner Lunge nachweisbar war – daß der Tod aber konkret darauf zurückzuführen ist, daß die Mutter ihr Kind erstickt hat?«
    Owen runzelte die Stirn. »Es wäre möglich. Das ließe sich aber nicht mit Sicherheit sagen.«
    »Keine weiteren Fragen.«
    Noch bevor George seinen Tisch erreicht hatte, war ich aufgesprungen, um meinen Zeugen abermals zu befragen. »Dr. Zeigler, angenommen, Katies Baby wäre an dem Morgen nicht an Atemversagen gestorben, was wäre dann mit ihm passiert?«
    »Nun, angenommen, das Neugeborene wäre nach der Geburt nicht auf schnellstem Weg in ein Krankenhaus gebracht worden, wo eine Diagnose erstellt und die Behandlung eingeleitet worden wäre, dann hätte die Infektion sich ausgebreitet. Der Kleine wäre nach zwei, drei Tagen an Lungenentzündung gestorben … wenn nicht, wäre er innerhalb von zwei Wochen an Meningitis gestorben. Sobald eine Meningitis ausgebrochen ist, verläuft sie tödlich, auch wenn sie diagnostiziert und eine Behandlung begonnen wird.«
    »Wenn das Baby nicht ins Krankenhaus gebracht worden wäre, dann wäre es also sehr wahrscheinlich kurz nach der Geburt gestorben?«
    »Das ist richtig.«
    »Danke, Doktor.«
    Ich setzte mich, und George erhob sich wieder. »Dr. Zeigler, Sie haben ausgesagt, daß die Sterblichkeitsrate bei Listeriose hoch ist, auch wenn die Krankheit behandelt wird?«
    »Ja, nahezu fünfzig von hundert Neugeborenen sterben an den Komplikationen.«
    »Und Sie haben eben die Hypothese aufgestellt, daß das Baby von Ms. Fisher innerhalb weniger Wochen, wenn nicht sogar an jenem ersten Morgen seines Lebens gestorben wäre?«
    »Ja.«
    George zog die Brauen hoch. »Woher wollen Sie wissen, Dr. Zeigler, daß das Baby nicht eins von den anderen fünfzig gewesen wäre?«
    Aus mir unerfindlichen Gründen sank Katie bei Owens Zeugenaussage mit jedem Wort tiefer in sich zusammen. Eigentlich hätte sie sich genauso freuen müssen wie ich. Selbst Georges kleiner Coup am Schluß konnte die

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