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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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einfach nicht«, sagte Coop, während er die Ecken des Quilts festhielt, den er mit Ellie zusammenlegte. Die Decke hatte ein Eheringmuster, ein Umstand, dessen pikante Ironie ihm nicht entgangen war. An den zwischen Bäumen gespannten Wäscheleinen flatterten noch weitere, frisch gewaschene Quilts, große kaleidoskopische Farbspiele vor einem dunkelnden Himmel.
    Ellie kam auf ihn zu und reichte ihm die gegenüberliegenden Ecken des Quilts. »Ist aber so.«
    »Katie ist zu keinem Mord fähig.«
    Sie nahm ihm das Bündel aus den Armen und klappte es energisch in der Mitte zu einem voluminösen Rechteck zusammen. »Damit liegst du wohl falsch.«
    »Ich kenne sie, Ellie. Sie ist meine Patientin.«
    »Ja, und meine Zimmergenossin. Stell dir vor.«
    Coop griff nach den Wäscheklammern, die den zweiten Quilt festhielten. »Wie hat sie es gemacht?«
    »Das hab ich nicht gefragt.«
    Coop war verblüfft. »Nein?«
    Ellie strich sich mit den Fingern über den Bauch. »Ich konnte nicht«, sagte sie und wandte sich rasch ab.
    Coop verspürte den Wunsch, sie in die Arme zu nehmen. »Die einzige Erklärung ist, daß sie lügt.«
    »Hast du denn im Prozeß nicht zugehört?« Ellies Lippen zuckten. »Die Amischen lügen nicht.«
    Coop ging nicht darauf ein. »Sie lügt, damit sie bestraft wird. Aus irgendeinem Grund braucht sie das.«
    »Klar, wenn man ein Leben im Gefängnis als therapeutisch heilsam betrachtet.« Ellie zog ruckartig das andere Ende des Stoffes hoch. »Sie lügt nicht, Coop. Ich habe in meinem Metier bestimmt ebenso viele Lügner erlebt wie du. Katie hat mir in die Augen gesehen und gesagt, daß sie ihr Baby getötet hat. Es ist ihr Ernst.« Sie riß Coop den Quilt aus den Händen und faltete ihn noch einmal zusammen. »Katie Fisher wird den Prozeß verlieren, und wir alle verlieren mit ihr.«
    »Wenn sie die Haftungsausschlußerklärung unterschrieben hat, kann man dir keinen Vorwurf machen.«
    »Oh, nein, natürlich nicht. Nur mein Name und meine Zuverlässigkeit sind im Eimer.«
    »Ich habe keine Ahnung, was Katie treibt, aber ich bezweifle stark, daß sie das macht, um dir eins auszuwischen.«
    »Ist ja auch egal, Coop. Sie wird in den Zeugenstand treten und ein öffentliches Geständnis ablegen, und die Geschworenen wird es einen Dreck interessieren, ob es dafür eine vernünftige Erklärung gibt. Sie werden sie schneller schuldig sprechen, als sie sagen kann ›Ich war’s‹.«
    »Bist du wütend, weil sie dir deinen Fall kaputt macht oder weil du nicht damit gerechnet hast?«
    »Ich bin nicht wütend. Wenn sie ihr Leben unbedingt wegwerfen will, soll sie doch.« Ellie wollte den Quilt nehmen, griff aber daneben, so daß die Decke im Sand landete. »Verdammt! Weißt du, was das für eine Arbeit ist, diese Dinger zu waschen?« Sie sank zu Boden, der Quilt wie eine Wolke hinter ihr und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Coop fragte sich, wie eine so zarte Frau die ganze Last, die die Rettung eines anderen Menschen bedeutete, auf ihren Schultern tragen konnte. Er setzte sich neben Ellie und zog sie an sich, ihre Finger gruben sich in den Stoff seines Hemdes. »Ich hätte sie retten können«, flüsterte sie.
    »Ich weiß, Schatz. Aber vielleicht will sie sich selbst retten.«
    »Dann hat sie aber eine ganz eigene Art, das zu versuchen.«
    »Du denkst wieder wie eine Anwältin.« Coop tippte ihr an die Schläfe. »Wenn du Angst hast, daß alle dich verlassen, was machst du dann?«
    »Ich sorge dafür, daß sie bleiben.«
    »Und wenn du das nicht kannst oder nicht weißt, wie?«
    Ellie zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht.«
    »Doch, du weißt es. Du hast es sogar schon getan. Du gehst zuerst«, sagte Coop, »damit du nicht erleben mußt, wie die anderen weggehen.«
    Als Kind hatte Katie Regentage geliebt, wenn sie bis ans Ende der Zufahrt hüpfen konnte, wo sich die Pfützen mit ihrem schwachen Ölglanz in Regenbögen verwandelten. So sah der Himmel jetzt aus, ein königliches Purpur, orange, rot und silbern marmoriert, wie das Kleid einer Märchenkönigin.
    Sie stand im Dämmerlicht auf der Veranda und wartete. Als aus westlicher Richtung das Dröhnen eines Automotors ertönte, spürte sie, wie ihr das Herz im Hals schlug, wie jeder Muskel ihres Körpers sie nach vorn zog, um zu sehen, ob das Fahrzeug zur Farm einbog. Doch Sekunden später sah sie durch die Bäume die Rücklichter vorbeihuschen.
    »Er kommt nicht.«
    Beim Klang der Stimme, gefolgt von schweren Stiefelschritten auf den Verandastufen, wirbelte

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