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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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geht es immer nur darum, sich irgendwie hervorzutun. Wer ist der Reichste, der Beste. Für uns geht es darum, mit den anderen eine Einheit zu bilden. Wie die Stoffstücke in einem Quilt. Betrachtet man uns einzeln, machen wir nicht viel her. Aber zusammen sind wir etwas Wunderbares.«
    »Und Jacob?«
    Sie lächelte wehmütig. »Jacob war wie ein schwarzer Faden auf weißem Grund. Er hat sich entschieden fortzugehen.«
    »Vermißt du ihn?«
    Katie nickte. »Sehr. Ich hab ihn schon lange nicht mehr gesehen.«
    Ich sah sie an. »Wieso?«
    »Den Sommer über haben wir hier viel zu tun. Ich wurde zu Hause gebraucht.«
    Wahrscheinlicher war, dachte ich, daß sie die Schwangerschaft in einer engen Jeans nicht mehr hätte verbergen können. »Wußte Jacob von dem Kind?«
    Katie ging weiter, zog an dem Schlauch.
    »War es jemand, den du da kennengelernt hast, Katie? Vielleicht ein Junge vom College, ein Freund von Jacob?«
    Sie biß störrisch die Zähne zusammen, und schließlich kamen wir zu dem Pferch, wo die einjährigen Kühe gehalten wurden. An so heißen Tagen wurden sie zur Abkühlung mit Wasser besprüht. Katie drehte an der Düse und ließ das Wasser auf ihre nackten Füße plätschern. »Darf ich dich was fragen, Ellie?«
    »Klar.«
    »Wieso erzählst du nie von deiner Familie? Wie kommt es, daß du zu uns ziehen konntest und nicht mal jemanden anrufen mußtest, um Bescheid zu sagen, wo du bist?«
    Ich betrachtete die Kühe, die sich auf der Weide drängten und die Köpfe zu dem frischen Gras hinunter gesenkt hatten. »Meine Mutter ist tot, und mit meinem Vater hab ich schon seit Jahren nicht mehr gesprochen.« Nicht mehr, seit ich Anwältin geworden war und er mir vorgeworfen hatte, ich würde als Verteidigerin meine Moral für Geld verkaufen. »Ich war nie verheiratet, und mein Freund und ich haben unsere Beziehung gerade beendet.«
    »Wieso?«
    »Wir haben uns auseinanderentwickelt«, sagte ich. »Eigentlich nicht verwunderlich, nach acht Jahren.«
    »Wie konntet ihr denn acht Jahre lang zusammensein, ohne zu heiraten?«
    Wie beschreibt man einem amischen Mädchen die komplexen Realitäten des Beziehungslebens in den neunziger Jahren? »Na ja, wir haben eben lange gebraucht, um herauszufinden, daß wir doch nicht gut zueinander passen.«
    »Acht Jahre«, sagte sie verächtlich. »Du könntest jetzt schon einen ganzen Haufen Kinder haben.«
    Bei dem Gedanken an die verlorene Zeit spürte ich, wie sich mir die Kehle zusammenzog. Katie tauchte einen Zeh in den kleinen Schlammtümpel, der sich unter der Schlauchdüse gebildet hatte, sichtlich verlegen, weil sie mich aus der Fassung gebracht hatte. »Er muß dir fehlen.«
    »Stephen weniger«, sagte ich leise. »Nur dieser ganze Haufen Kinder.«
    Ich erwartete, daß Katie etwas über ihre Situation im Vergleich zu meiner sagte – aber wieder einmal verblüffte sie mich. »Weißt du, was mir aufgefallen ist, wenn ich bei Jacob war? In eurer Welt können die Menschen sich gegenseitig so schnell erreichen. Ihr habt Telefon und Fax – und über den Computer könnt ihr mit jemandem am anderen Ende der Welt reden. In Talk-Shows erzählen Leute ihre Geheimnisse, und in Illustrierten sieht man Bilder von Filmstars, die versuchen, sich in ihren Häusern zu verstecken. So viele Verbindungen, aber bei euch wirken alle so einsam.«
    Ich wollte widersprechen, doch Katie reichte mir den Schlauch und sprang über den Zaun. Sie nahm ihn wieder, drehte die Düse auf und richtete den Wasserstrahl auf die Kühe, die versuchten, dem nassen Schleier auszuweichen. Dann richtete sie den Schlauch grinsend auf mich.
    »Na warte –!« Von Kopf bis Fuß patschnaß, kletterte ich über den Zaun und rannte hinter ihr her. Katie kreischte auf, als ich schließlich den Schlauch erwischte und sie naß spritzte. »Das hast du nun davon«, lachte ich, rutschte im selben Augenblick auf dem nassen Gras aus und landete mit dem Hintern auf der schlammigen Erde.
    »Verzeihung? Wo finde ich Ellie Hathaway?«
    Beim Klang der tiefen Stimme wandten Katie und ich uns um, und da ich noch immer die Düse in der Hand hielt, bekam der Sprecher nasse Schuhe, bevor er beiseite springen konnte. Ich stand auf, wischte mir den Matsch von den Händen und grinste den Mann auf der anderen Seite des Pferches etwas hilflos an, einen Mann, der meine Stiefel anstarrte, meine Schürze und den Schlamm, der mich von oben bis unten bedeckte. »Coop«, sagte ich. »Lange nicht gesehen.«
    Als ich zehn Minuten später frisch

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