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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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zehn unreife Äpfel gegessen, weil mein Bruder gesagt hatte, ich würde es nicht schaffen.«
    »Aber nicht … in letzter Zeit?« Sie schüttelte den Kopf. »Passiert es dir schon mal, daß du ganze Zeitspannen irgendwie verpaßt … plötzlich merkst du, daß Stunden vergangen sind, und du weißt nicht mehr, wo du warst oder was du gemacht hast?«
    Unerklärlicherweise wurde Katie erneut rot und sagte nein.
    »Hast du schon mal Halluzinationen gehabt – Dinge gesehen, die nicht wirklich da sind?«
    »Manchmal sehe ich meine Schwester …«
    »Die gestorben ist«, warf ich ein.
    »Sie ist im Teich ertrunken«, erklärte Katie. »Wenn ich da bin, kommt sie auch.«
    Coop zuckte nicht mal mit der Wimper, als wäre es das Normalste von der Welt, Geister zu sehen. »Spricht sie mit dir? Sagt sie dir, daß du irgendwas Bestimmtes tun sollst?«
    »Nein. Sie läuft bloß Schlittschuh.«
    »Beunruhigt es dich, wenn du sie siehst?«
    »Oh, nein.«
    »Bist du schon mal richtig krank gewesen? So daß du ins Krankenhaus mußtest?«
    »Nein. Neulich war das erste Mal.«
    »Unterhalten wir uns mal darüber«, sagte Coop. »Weißt du, warum du ins Krankenhaus gekommen bist?«
    Katies Wangen brannten, und sie starrte nach unten. »Wegen einer Frauensache.«
    »Die Ärzte haben gesagt, du hättest ein Kind bekommen.«
    »Sie haben sich geirrt«, sagte Katie. »Ich hab kein Kind bekommen.«
    Coop ging nicht weiter darauf ein. »Wie alt warst du, als du zum erstenmal deine Regel bekommen hast, Katie?«
    »Zwölf.«
    »Hat deine Mutter dir erklärt, was da passiert?«
    »Na ja, ein bißchen.«
    »Sprichst du mit deinen Eltern über Sexualität?«
    Katie riß entrüstet die Augen auf. »Natürlich nicht. Das ist nicht richtig.«
    »Wer sagt, daß das nicht richtig ist?«
    »Unser Herr«, erwiderte sie prompt. »Der Glaube. Meine Eltern.«
    »Wären deine Eltern aufgebracht, wenn sie dahinterkämen, daß du Sexualität kennst?«
    »Kenne ich aber nicht.«
    »Verstehe. Aber wenn doch, was würde deiner Meinung nach passieren?
    »Sie wären sehr enttäuscht«, antwortete Katie leise. »Und ich würde unter den Bann gestellt.«
    »Was ist das?«
    »Das ist, wenn herauskommt, daß man gegen eine Regel verstoßen hat. Dann muß man bekennen und kommt für kurze Zeit unter den Bann.« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Man wird von allem ausgeschlossen, das ist alles.«
    Zum erstenmal sah ich es durch Katies Augen – das Stigma, eine Ausgestoßene in einer Gemeinschaft zu sein, in der Gleichheit so hoch bewertet wurde.
    »Wenn du Sorgen hättest, Katie, würdest du dann deine Mutter oder deinen Vater um Hilfe bitten?«
    »Ich würde beten«, sagte sie. »Und was auch immer geschieht, es wäre der Wille des Herrn.«
    »Hast du je Alkohol getrunken oder Drogen genommen?«
    Ich war ehrlich überrascht, als Katie nickte. »Ich hab mal zwei Bier getrunken und Pfefferminzschnaps, zusammen mit meiner Clique.«
    »Deiner Clique ?«
    »Ein paar junge Leute, mit denen ich befreundet bin. Wir nennen uns die Sparkies. Die meisten amischen Jugendlichen bilden Cliquen, wenn sie in ihre Rumschpringe kommen.«
    » Rumschpringe? «
    »Die wilden Jahre. Wenn wir vierzehn oder fünfzehn sind.«
    »Und was machen die Sparkies so?«
    »Es gibt ein paar Burschen, die kaufen sich manchmal Bier und machen nach Mitternacht Wettrennen mit ihren Kutschen auf der Route 340. Die meisten richtig Wilden würden aber lieber zu den Shotguns oder den Happy Jacks gehen – die machen Feten und fahren sogar Auto, so daß alle sie sehen können. Wir treffen uns bloß an Sonntagabenden und singen Choräle, meistens. Aber manchmal«, gab sie schüchtern zu, »machen wir auch andere Sachen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Trinken. Zu Musik tanzen. Also, ich hab das auch schon mal gemacht, aber jetzt gehe ich nach dem Singen, wenn die Stimmung ein bißchen wilder wird.«
    »Wieso?«
    Katie drückte die Fäuste ins Gras. »Ich bin jetzt getauft.«
    Coop zog die Stirn kraus. »Bist du nicht schon als Kind getauft worden?«
    »Nein, wir werden erst getauft, wenn wir älter sind. Ich letztes Jahr. Wir entscheiden uns, vor Gott zu stehen und nach der Ordnung zu leben – das sind die Regeln, von denen ich gesprochen habe.«
    »Wußten deine Eltern von diesen Singabenden, an denen ihr getrunken und getanzt habt?«
    Katie sah zum Haus. »Alle Eltern wissen davon; sie drücken ein Auge zu und hoffen, daß nichts Schlimmes passiert.«
    »Wie kommt es, daß sie so etwas

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