Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult

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anderen.
    »Kelly hat das meiste mitgenommen«, sagte er leise, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Das sind die Sachen, die sie nicht wollte.«
    »Ich glaube, den Couchtisch hattest du schon im College.«
    Ellie ging zum Bücherregal. Sie legte die Fingerspitze auf ein kleines Foto, auf dem sie zu sehen war, wie sie kopfüber am Ast eines Apfelbaumes hing. Auf einem anderen Ast hatte Coop gesessen, um das Foto zu machen. »Das ist auch noch aus unserer Studienzeit«, sagte sie leise. »Das hast du noch?«
    »Ich hab’s kürzlich wieder rausgekramt.«
    »Du hast die ganze Zeit gesagt, ich sollte aufhören zu lachen«, erinnerte sich Ellie. »Und ich hab gesagt, du solltest endlich das blöde Bild machen, bevor meine Bluse wieder rutschte und ich oben ohne wäre.«
    Coop grinste. »Und ich hab gesagt –«
    »›Um so besser‹«, fiel Ellie ihm ins Wort.
    Er umarmte sie, streichelte sie sanft. Sein Kuß, mit geöffneten Lippen, war, als hauchte er ihr Feuer ein. Ellie zog ihm langsam das Hemd aus der Hose und fuhr mit der flachen Hand über die Muskeln seines Rückens, drängte sich immer dichter an ihn heran, bis sie sein Herz knapp über ihrem spüren konnte.
    Sie fielen zusammen auf die Couch, stießen einen Stapel Zeitungen um. Seine Hände glitten durch ihr Haar, während sie an seinem Gürtel und Reißverschluß zerrte. Coops Umarmung wurde leidenschaftlicher. »Spürst du das?« flüsterte er. »Mein Körper erinnert sich an dich.«
    Und auf einmal war Ellie wieder achtzehn, fühlte sich von Coops Zuversicht aufgespießt wie ein Schmetterling. Damals hatte sie ihn so sehr geliebt, daß sie Monate brauchte, um zu erkennen, daß das, was Coop ihr gab, nicht unbedingt das war, was sie brauchte. Damals hatte sie ihn angelogen, um ihm die Trennung leichter zu machen, aber diese Lüge war um so schmerzlicher, weil sie so weit von der Wahrheit entfernt war: daß sie ihn nicht genug liebte. »Ich kann das nicht«, sagte sie laut, Worte, die sie damals auf dem College nicht über die Lippen gebracht hatte. Sie stieß sich von Coops Brust weg, von seinen Beinen, und blieb am anderen Ende der Couch sitzen.
    Allmählich kam Coop wieder zur Besinnung. »Was ist los?«
    »Ich kann nicht.« Ellie konnte ihn nicht einmal ansehen. »Es tut mir schrecklich leid. Ich sollte jetzt einfach … gehen.«
    Seine Miene verhärtete sich. »Welche Entschuldigung hast du diesmal?«
    »Ich muß zu Katie zurück.«
    »Du solltest nicht zu mir auf Distanz gehen, sondern zu deiner kleinen amischen Mandantin. Du bist ihre Anwältin , Ellie, nicht ihre Mutter .« Coop schnaubte. »Du hast keine Angst vor irgendeinem Richter oder vor einem Verstoß gegen die Kautionsauflagen. Du hast Panik, daß du einmal in deinem Leben wirklich etwas anfängst und es nicht richtig hinkriegst.«
    »Was weißt du denn schon über –«
    »Herrgott, Ellie, ich weiß mehr über dich als du selbst. Musterstudentin, Prädikatsexamen. Du hast Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die schwierigsten Fälle zu kriegen, und hast fast jeden gewonnen – sogar die, bei denen dir noch heute schlecht wird, wenn du nur dran denkst. Du hast nie geheiratet, hast bloß eine Beziehung aufrechterhalten, die du schon vor Jahren hättest beenden sollen, weil es dir im Grunde völlig egal war, ob sie in die Brüche ging oder nicht. Du verpaßt mir hier eine kalte Dusche, bloß um dich nicht zu sehr auf mich einzulassen, weil dir dann nämlich wirklich was dran liegen würde, daß das mit uns klappt, und wir haben nun mal nicht gerade eine Erfolgsbilanz aufzuweisen. Du bist die klassische Perfektionistin und traust dich nicht, dich mal weit aus dem Fenster zu lehnen, weil du Angst hast rauszufallen.«
    Bei den letzten Sätzen brüllte Coop förmlich. Ellie stand auf und humpelte auf der Suche nach ihren Stöckelschuhen durchs Zimmer. Ihr tat der Kopf weh, fast so sehr wie ihr Herz. »Hör auf, mich zu psychoanalysieren.«
    »Weißt du, was dein Problem ist? Wenn du dich nie aus dem Fenster lehnst, entgeht dir eine wunderschöne Aussicht.«
    Ellie schaffte es, in ihre Schuhe zu steigen und ihre Handtasche aufzuheben. »Du schmeichelst dir selbst«, sagte sie ruhig.
    »Liegt’s an mir, Ellie, oder machst du das bei allen Typen so, erst anmachen und dann Vollbremsung? Was für eine Macht hatte Stephen denn über dich, daß er dich all die Jahre davon abhalten konnte, einfach wegzulaufen?«
    »Er hat mich nicht geliebt!« Noch während die Worte in dem stillen Zimmer