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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Das war nicht gut für Katie. Ellie hatte auf einen Mann gesetzt, einen Richter, der nichts von Geburten verstand, einen Richter, dem bei dem Gedanken nicht ganz wohl wäre, ein junges amisches Mädchen unter Umständen wegen Kindstötung verurteilen zu müssen. Dagegen war eine Richterin, die das Gefühl kannte, ein Kind nach der Geburt in den Armen zu halten, nicht unbedingt dagegen gefeit, Katie von vornherein zu verabscheuen.
    »Ms. Hathaway, Mr. Callahan, ich würde sagen, wir fangen an.« Die Richterin öffnete die Akte vor ihr auf dem Schreibtisch. »Ist die Offenlegung abgeschlossen?«
    »Ja, Euer Ehren«, sagte George.
    »Ms. Hathaway, Sie beantragen, keine Presse im Gerichtssaal zuzulassen.«
    Ellie räusperte sich. »Es widerspricht dem Glauben meiner Mandantin, überhaupt in einem Gerichtssaal zu sein, Euer Ehren. Aber auch außerhalb des Gerichtssaals mögen die Amischen es nicht, fotografiert zu werden. Sie halten sich an den genauen Wortlaut der Bibel. ›Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen.‹ 2. Mose 20,4.«
    George schaltete sich ein. »Euer Ehren, haben wir Kirche und Staat nicht schon vor rund zweihundert Jahren voneinander getrennt?«
    »Hier geht es um etwas anderes«, wandte Ellie ein. »Die Amischen glauben, wenn man sich fotografieren läßt, könnte man sich selbst zu wichtig nehmen oder nach persönlichem Ruhm streben, was ihrer Forderung nach Demut widerspricht.« Sie sah die Richterin an. »Meine Mandantin muß ihre religiösen Grundsätze verletzen, indem sie vor Gericht erscheint, Euer Ehren. Wenn wir ihr das zumuten müssen, können wir es ihr nicht wenigstens einfacher machen?«
    Die Richterin sah George an. »Mr. Callahan?«
    George zuckte die Achseln. »Ja, ja, machen wir es der Angeklagten schön angenehm. Und wo wir schon dabei sind, können wir doch gleich den Häftlingen im Staatsgefängnis neue Federbetten und einen Gourmetkoch bewilligen. Bei allem Respekt vor Ms. Hathaway und dem Glauben ihrer Mandantin, hier findet ein öffentliches Gerichtsverfahren statt. Die Presse hat das verfassungsmäßige Recht, darüber zu berichten. Und Katie Fisher hat gewisse Grundrechte verspielt, als sie gegen einige der wichtigsten verstieß.« Er wandte sich Ellie zu. »Lassen wir die Bildnisse und Gleichnisse mal beiseite – was ist mit ›Du sollst nicht töten‹? Wenn sie keine negative Publicity möchte, hätte sie keinen Mord begehen sollen.«
    »Das ist nicht bewiesen«, schoß Ellie zurück. »Euer Ehren, hier geht es um Glaubensfragen, und Mr. Callahans Äußerungen sind, offen gesagt, hämisch und beleidigend. Ich denke –«
    »Ich weiß, was Sie denken, Frau Verteidigerin; das haben Sie überaus deutlich gemacht. Die Presse wird im Gerichtssaal zugelassen, aber Fotoapparate und Videokameras sind ausgeschlossen.« Die Richterin blätterte weiter in der Akte. »Mir fällt da etwas anderes auf, Ms. Hathaway. Aufgrund der Art des zu verhandelnden Verbrechens gibt es natürlich Spekulationen, daß Sie auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren werden. Wie Sie bestimmt wissen, ist der Termin für diese Verteidigung verstrichen.«
    »Euer Ehren, diese Termine sind in begründeten Fällen zu verlängern, und für mich ist wichtig, daß sich ein forensischer Psychologe meine Mandantin ansieht, bevor ich mich auf eine Verteidigungsstrategie festlege. Bislang haben Sie aber noch nicht über meinen Antrag auf Bewilligung eines Gutachters entschieden.«
    »Ach ja.« Die Richterin hob ein Blatt Papier hoch, das an den Rändern mit Rosenornamenten verziert war – Ledas Briefpapier, auf dem sie die Datei von Ellies Diskette ausgedruckt hatte. »Ich muß schon sagen, das ist der hübscheste Antrag, der mir je vorgelegt worden ist.«
    Ellie stöhnte innerlich auf. »Ich bitte um Verzeihung, Euer Ehren. Meine derzeitigen Arbeitsbedingungen sind … nicht gerade ideal.« Als George kicherte, sprach sie entschlossen weiter. »Ich benötige dringend ein psychologisches Gutachten, bevor ich meine Verteidigung festlegen kann.«
    »He«, sagte George, »wenn Sie sich einen forensischen Psychologen besorgen, besorge ich mir auch einen. Dann muß die Staatsanwaltschaft auch ein Gutachten von dem Mädchen anfordern.«
    »Wieso denn? Ich bitte bloß um das Geld für einen Psychologen, damit ich entscheiden kann, wie ich meine Mandantin verteidigen soll. Das heißt noch lange nicht, daß ich tatsächlich auf Unzurechnungsfähigkeit plädiere. Ich gebe lediglich zu, daß ich keine

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