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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sie. »Ich habe nicht um diesen Fall gebeten; er hat sich mich gewissermaßen ausgesucht. Was auch immer Sie von Anwälten halten, in jedem Fall bin ich die beste Chance, die Ihre Schwester hat, ungeschoren davonzukommen. Sie wissen besser als Ihre amischen Verwandten, wie ernst die Anklage ist. Wenn ich etwas von Ihnen erfahre, das Ihrer Schwester hilft, werde ich es streng vertraulich behandeln, und es wird mir bei meiner Verteidigungsstrategie helfen. Aber selbst wenn Sie jetzt den Mund aufmachen und mir sagen, daß sie dieses Baby kaltblütig ermordet hat, werde ich trotzdem alles versuchen, sie freizubekommen, und ihr dann die psychologische Hilfe beschaffen, die sie braucht.«
    Jacob ging zu dem hohen Fenster des Heubodens. »Es ist schön hier. Wissen Sie, daß ich sechs Jahre nicht hier war?«
    »Ich weiß, wie schwer das für Sie sein muß«, sagte Ellie. »Aber Katie wäre niemals wegen Mordes angeklagt worden, wenn die Polizei nicht überzeugt davon wäre, daß Katie dieses Kind getötet hat.«
    »Sie hat mir nicht erzählt, daß sie schwanger war«, bekannte Jacob.
    »Ich glaube, das hat sie nicht mal sich selbst eingestanden. Kennen Sie jemanden, der der Vater sein könnte?«
    »Na ja, Samuel Stoltzfus –«
    »Nicht hier«, unterbrach Ellie ihn. »In State College.«
    Jacob schüttelte den Kopf.
    »Hat sie je mit dem Gedanken gespielt, die amische Gemeinde zu verlassen, so, wie Sie es getan haben?«
    »Nein. Das hätte sie nicht ausgehalten, von Mam und Dad getrennt zu sein. Katie hat mich zwar öfter besucht, aber sie können einen Fisch aus dem Teich nehmen und in ein Schaffell stecken, dadurch wird nie und nimmer ein Lamm aus ihm. Früher oder später wird er sterben.«
    » Sie sind nicht gestorben«, sagte Ellie.
    »Ich bin nicht Katie. Ich habe mich abgenabelt und tue Dinge, die ich mir niemals zugetraut hätte.«
    »Würde das gleiche nicht auch für Katie gelten? Vielleicht hat sie die Entscheidung getroffen, eine Amische zu bleiben – und sich deshalb gezwungen gesehen, Dinge zu tun, die sie sich niemals zugetraut hätte.«
    »Sicher nicht. Wenn man englisch lebt, trifft man Entscheidungen. Wenn man amisch lebt, beugt man sich einer Entscheidung, die längst getroffen worden ist. Man lebt nach dem Prinzip der Gelassenheit – man unterwirft sich einer höheren Autorität. Man opfert sich auf, für die Eltern, für die Gemeinde, für das Leben, wie es von jeher war.«
    »Das ist interessant, aber gegen den Obduktionsbericht über ein totes Kind wird es nicht standhalten.«
    »Doch«, sagte Jacob mit Nachdruck. »Einen Mord zu begehen ist die arroganteste Tat, die es gibt! Jemand reißt die Macht Gottes an sich und entscheidet über das Leben eines anderen.« Er sah Ellie mit blitzenden Augen an. »Viele Leute meinen, die Amischen wären dumm, weil sie sich von der Welt überrollen lassen. Aber amische Menschen sind klug, sie sind bloß nicht selbstsüchtig. Sie sind nicht selbstsüchtig genug, um gierig zu sein, oder herrisch oder stolz. Und sie sind ganz sicher nicht selbstsüchtig genug, um ein anderes menschliches Wesen vorsätzlich zu töten.«
    »Hier wird nicht der amische Glauben vor Gericht gestellt.«
    »So sollte es aber sein«, konterte Jacob. »Meine Schwester könnte keinen Mord begehen, Ms. Hathaway, ganz einfach, weil sie durch und durch amisch ist.«
    Lizzie Munro kniff die Augen hinter ihrer Schutzbrille zusammen und feuerte zehn Schuß aus ihrer Neunmilli-Meter-Glock ins Herz des lebensgroßen Ziels am Ende des Schießstandes. Als sie das Ergebnis begutachtete, stieß George Callahan einen leisen Pfiff aus. »Ich bin froh, daß du auf unserer Seite stehst, Lizzie. Du hast wirklich Talent.«
    »Allerdings. Unvorstellbar, daß meine Großmutter meinte, ich sollte bloß Handarbeiten lernen.« Sie steckte ihre Waffe ins Halfter und lockerte ihre Schultern.
    »Ich bin erstaunt, dich hier zu sehen.«
    Lizzie runzelte die Stirn. »Wieso das?«
    »Na ja, wie viele Amische sind bewaffnet und gefährlich?«
    »Hoffentlich keiner«, erwiderte Lizzie und zog sich die Jacke über. »Ich mach das zur Entspannung, George. Ist besser als Stricken.«
    Er lachte. »Die richterliche Anhörung ist für kommende Woche angesetzt.«
    »Wenn man so richtig Spaß hat, vergehen fünf Wochen wie im Fluge, was?«
    »Spaß würde ich das nicht gerade nennen«, sagte George. Sie verließen den Schießstand und gingen durch die üppigen Grünanlagen der Polizeiakademie. »Ehrlich gesagt, deshalb bin ich

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