Die einzige Zeugin
stehen.
»Geradeaus«, sagte Donny, »ins Wohnzimmer.«
Der Raum war klein, es stand ein Sofa darin, ein Fernseher und ein Bücherregal. Jessicas Absätze klapperten auf dem Parkett. Sie ging durch das Zimmer und stellte sich mit dem Rücken zum Fenster.
»Setzt euch doch«, sagte Donny.
Jessica schüttelte den Kopf. Das Abendlicht fiel von draußen auf ihr Haar, das leuchtende Blau des Kleides bildete einen starken Kontrast zu ihrer hellen Haut. Sie hatte noch nie so umwerfend ausgesehen. Lauren setzte sich auf die Sofakante und rückte so weit von Donny ab wie möglich. Sie fragte sich, wo seine Freundin Alison war. Sie schaute sich im Zimmer um. Eine Wand war dunkelbraun gestrichen. Die anderen waren cremefarben. Das Sofa sah neu aus und fühlte sich auch so an. Auf dem Kaminsims stand eine Vase mit Blumen. Rote Rosen. Die Blumen der Liebe. Sie starrte sie an und bekam eine schlechte Vorahnung. Sie vermied es, Donny oder Jessica anzusehen, und betrachtete das Bücherregal. Auf dem zweiten Brett saß ein kleiner Teddybär mit einer Schleife um den Hals.
»Ich möchte, dass du zurückkommst«, brach Jessica das beklommene Schweigen. »Wir brauchen dich.«
»Jessie, ich kann nicht. Wir haben das alles schon besprochen …«
»Du glaubst, dass du diese Frau liebst. Ich weiß. Aber wenn du nach Hause kommen würdest, nur für ein paar Tage, für eine Woche, dann würdest du merken …«
»Jessie, ich komme nicht zurück.«
»Das bist du uns schuldig«, sagte Jessica. Ihre Schultern sanken nach vorne und sie rieb nervös den Stoff ihres Kleides zwischen den Fingern.
»Möchtet ihr vielleicht einen Tee?«, fragte Donny und faltete die Hände zusammen, als wären sie eben erst zur Tür hereingekommen und es wäre noch nichts gesagt worden. »Oder lieber etwas Kaltes?«
Lauren schüttelte den Kopf, ohne ihm in die Augen zu sehen. Jessica blieb stumm.
»Ich bin froh, dass ihr gekommen seid. Ich hätte sonst am Wochenende mal bei euch vorbeigeschaut.«
»Komm jetzt nach Hause. Komm nach Hause !«, sagte Jessica.
»Ich möchte euch beiden etwas sagen.«
Lauren schaute von den Blumen zum Teddybär. Ihr Magen zog sich zusammen, und sie warf ihrer Tante einen ängstlichen Blick zu.
»Alison bekommt ein Baby.«
Jessica starrte Donny an. Ihr Mund war ein kleines dunkles Loch. Sie schien vor dem Fenster erstarrt zu sein.
»Ich meine … wir bekommen ein Baby. Alison und ich.«
Lauren stand auf und ging zu Jessica. Sie legte ihr den Arm um die Schulter und flüsterte ihr ins Ohr, Komm wir gehen! Das Haar ihrer Tante duftete nach Zitronenblüte.
»Es war eine Überraschung für uns.« Donny räusperte sich und legte die Hand vor den Mund. »Wir hatten nicht damit gerechnet. Alison ist neununddreißig. Das wird ein spätes Baby.«
»Du wolltest nie ein Baby«, sagte Jessica.
»Das stimmt. Als ich jünger war, wollte ich nicht …«
»Du hast gesagt, wir bräuchten kein Baby. Du hast gesagt, Lauren wäre genug für uns!«
»Das stimmt ja auch. Das war sie.« Er sah Lauren entschuldigend an. »Das ist sie. Für uns. In unserer Beziehung. Aber Alison und ich …«
»Du hast gelogen. Wenn du ein Baby gewollt hättest, hättest du eins mit mir haben können!«
Lauren hielt Jessica fest an der Schulter.
Sie fühlte, dass sie zitterte, dass die Wut in ihr hochstieg. Sie versuchte, Jessica mit sich zu ziehen. Sie wollte raus aus dem Zimmer, raus aus dieser Wohnung, doch Jessicas Gewicht schien ihr in die Füße gesunken zu sein und sie fest an den Boden zu kleben.
»Es hat nicht gepasst, nicht für uns. Nicht in unserer Lage. Wir hatten Lolly«, sagte Donny. Er suchte ihren Blick und hielt ihn fest, während er weitersprach. »Wir hatten einfach keinen Platz. Ich meine, nicht im Haus, ich meine in unserem Leben. Wir haben unsere gesamte Zuneigung in Lolly gesteckt!«
»Du Lügner!« Jessica schüttelte Laurens Arm ab und machte einen Schritt auf Donny zu. »Du Lügner, du Lügner!«
Lauren wusste nicht, was sie tun sollte. Dann hörte sie ein Geräusch. Lautes Schluchzen. Große Schlucke Luft, die eingeatmet wurden und wieder nach oben drängten. Als Donny und Jessica sich umdrehten und sie anstarrten, merkte sie erst, dass sie es war, die weinte. Ihr Blick war verschwommen und ihre Schultern zuckten. Sie rannte aus dem Zimmer und durch den Flur. Einen Moment später war sie draußen. Sie hörte Absätze klappern und drehte sich um. Jessica war hinter ihr.
Sie liefen weiter, ohne etwas zu sagen. Lauren
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