Die einzige Zeugin
mit den Augen die Pizzastücke in ihren Händen.
»Willst du gleich noch unter die Dusche, während ich das Bett mache?«, fragte Nathan.
Sie nickte. Sie hatten nicht viel gesprochen, seit er sie abgeholt hatte. Einige kurze Bemerkungen über die Hunde und den Verkehr. Er hatte sie nicht gefragt, warum sie ihre Meinung geändert hatte. Einerseits war sie froh darüber, aber gleichzeitig wünschte sie sich, sie könnte es ihm erklären, wünschte, sie könnte leichter über alles reden.
Nach dem Duschen ging sie ins Wohnzimmer. Sie hatte sich die Haare nicht gewaschen, so dass nur die Ansätze etwas feucht waren. Der Rest war trocken und fiel lose herunter. Das Sofa war ausgezogen und es lag frisches Bettzeug darauf. Die Fensterläden waren geschlossen. Im Fernsehen liefen leise die Nachrichten. Sie kroch unter die Decke und legte sich hin. Sie fühlte sich merkwürdig. Nathan kam ins Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. Es kam ihr kurz vor, als läge sie im Krankenhaus und er käme zu Besuch.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
Sie wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. Der ganze Tag lag plötzlich wie ein schweres Gewicht auf ihr. Der Kater nach dem Wodka gestern Abend, die Nachricht der Anwältin, der Clown, der immer wieder durch ihre Gedanken stolperte.
»Es geht nicht, oder?«, sagte Nathan. »Es ist zu unheimlich. Wenn du willst, bringe ich dich nach Hause. Du musst es nur sagen. Du kannst ja erst mal tagsüber herkommen und dich an den Ort gewöhnen. Ich meine, gewöhnen ist vielleicht das falsche Wort, du hast ja schon hier gewohnt …«
Er sah ihr ins Gesicht. Sie spürte, dass er sich Sorgen machte. Er biss sich auf die Lippe. Plötzlich wollte sie unbedingt den Arm ausstrecken und ihn berühren. Sie hob die Hand und strich ihm über den Arm. Es ist lieb, dass du dir Sorgen machst, wollte sie sagen.
»Jetzt siehst du wirklich aus wie eine Meerjungfrau«, sagte er leise und strich ihr mit den Fingern vorsichtig durchs Haar.
»Du weißt ja, was man über Meerjungfrauen sagt«, flüsterte sie.
»Sterbliche sollten sich vor ihnen in Acht nehmen.«
Sie beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. Er vergrub seine Hände in ihrem Haar und hielt es ihr aus dem Gesicht. Sie fühlte seine Lippen sanft auf ihren, seine Finger in ihrem Haar. Sie legte ihm die Arme um den Hals und rückte näher zu ihm. Ihre Brust kribbelte, ihre Haut vibrierte. Sie lehnte sich zurück und zog ihn mit sich, so dass er halb auf ihr lag. Die Decke lag zusammengedrückt zwischen ihnen. Er versuchte, sie zur Seite zu schieben, aber sie war irgendwo unter Lauren eingeklemmt. Er versuchte es noch einmal, aber sie steckte fest. Lauren fing an zu lachen. Nathan wurde rot.
»Na toll!«, sagte er. »Jetzt lachst du mich aus.«
»Tu ich nicht«, sagte sie, aber er lachte schon selbst.
Er legte sich auf die Decke und drückte sein Gesicht an ihren Hals. Sie fühlte seinen Mund auf ihrer Haut. Seine Hand lag ganz sacht auf ihrer Brust. Sie schloss die Augen und fühlte sich ganz leicht.
Dann setzte er sich auf und rückte ein Stück von ihr ab.
»Es gibt etwas, das du wissen musst«, sagte er. »Also, nicht so was Krasses wie deine Geschichte, du weißt schon …«
Sie setzte sich ebenfalls auf und strich sich die Haare hinters Ohr. Er sah plötzlich ernst aus.
»Ich war ziemlich lange mit einem Mädchen zusammen, Mandy. Da, wo wir früher gewohnt haben. Wir kannten uns, seit wir vierzehn waren. Wir sind gemeinsam zur Schule gegangen. Wir waren in derselben Klasse. Alle wussten, dass wir …«
»Ein Paar waren?«
»Ja. Sie wollte mit mir nach Exeter gehen. Wir wollten uns zusammen eine Wohnung suchen und so. Und dann hat sie ein paar Wochen vor Semesterbeginn plötzlich ihre Meinung geändert. Sie hat gesagt, sie bräuchte etwas Abstand. Sie wollte ein Jahr lang etwas anderes machen und dann in Durham studieren.«
»Oh«, sagte Lauren und zog die Decke um sich.
»Ich glaube, sie hatte das schon lange vorher beschlossen, aber sie hat mir nie ein Wort davon gesagt. Ich war so kindisch und habe sie vor die Wahl gestellt: Entweder sie geht mit mir nach Exeter, oder es ist aus. Tja, und dann war es aus.«
Er schwieg einen Augenblick.
»Und du bist auch nicht zur Uni gegangen?«
»Ich habe auch ein Jahr Pause gemacht. Meine Eltern haben Freunde in Australien, bei denen ich eine Weile bleiben konnte, und dann bin ich weiter durch die Gegend gereist. In der Zwischenzeit haben meine Eltern das Haus gekauft.«
Sie
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