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Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
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bevor es passiert ist.«
    Das Weihnachtsfest, bevor ihre Mutter und Daisy gestorben waren.
    Das erste und letzte Weihnachtsfest ihrer kleinen Schwester.
    »Grace hat mich ins Kreuzverhör genommen. Was ist dein Studienschwerpunkt? Meinst du, du machst einen Einser-Abschluss? Wo leben deine Eltern? Was möchtest du nach dem Studium machen? Es war, als wäre sie Jessies Mutter und Vater in einer Person und wollte sicherstellen, dass ich der Richtige für sie war. So war es. Seit ihre Mutter gestorben und ihr Vater nach Spanien gezogen war, hatte Grace sich um Jessie gekümmert. Sie war ein bisschen wie ihre Mutter.«
    »Daisy war noch ganz klein?«
    »Etwa drei Monate alt, denke ich. Dein Vater war auch da. Er hat nicht viel geredet, er hat mir nur immer wieder ein Bier gebracht. Daran erinnere ich mich. Jedes Mal, wenn es im Gespräch eine Lücke gab oder wir mit dem Essen fertig waren, sagte er, Noch ein Bierchen, Don ? Er nannte mich Don. Vielleicht fand er Donny nicht männlich genug.«
    Lauren dachte darüber nach. Ihr Vater war Bauunternehmer. Seine Hände waren immer rau und schwielig gewesen, seine Kleider staubig und schmutzig. Alle nannten ihn Robbie . Was war daran männlicher als an Donny ?
    »Jessie war oft bei deiner Mutter, aber dann, so um Ostern herum, hat dein Vater deine Mutter wieder verlassen.«
    »Wieder?«
    »Er hatte deine Mutter schon einmal verlassen. Er mochte Frauen. Er hatte mal hier und mal da eine. Ich glaube, er hat über die Jahre einige Geschichten gehabt. Ich hatte das Gefühl, dass das Baby ihr letzter Versuch war, die Ehe zu kitten.«
    Lauren fühlte einen Stich. Sie selbst war nicht genug gewesen, damit ihr Vater und ihre Mutter zusammenblieben. Sie hatten noch ein Kind gebraucht.
    »Als er weg war, hat Jessie die meiste Zeit bei ihr gewohnt. Ich sei jederzeit willkommen, sagte Grace, aber ich habe mich nicht wohl gefühlt. Es gab immer irgendeine Katastrophe. Sie war depressiv. Sie musste Tabletten nehmen. Sie konnte sich nicht um das Baby kümmern. Dein Vater wollte zurückkommen. Dann kam er doch nicht … Sie hat mit deinem Vater viel durchgemacht.«
    »Hatte sie irgendeine Unterstützung? Einen Arzt? Einen Therapeuten?«
    »Jessie hat versucht, ihr zu helfen. Sie war bei ihr, sooft sie konnte. Ehrlich gesagt, hätte das fast unsere Beziehung zerstört. Jessie und ich hatten unseren Abschluss gemacht und wollten danach zusammen nach Spanien gehen. Wir wollten eine Weile bei Jessies Vater bleiben, durch die Gegend reisen, uns vielleicht irgendwo einen Job suchen. Dann änderte Jessie ihre Meinung und sagte, sie könnte Grace nicht alleine lassen. Mir ist der Kragen geplatzt. Ich …«
    Donny sprach nicht weiter. Er beugte sich vor und griff nach dem Feuerzeug. Er spielte damit herum und schien kurz davor zu sein, eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche zu ziehen.
    »Ich denke oft, wenn wir nicht nach Spanien gegangen wären, wäre es nicht passiert. Wir wären hier gewesen und hätten es verhindert.«
    »Was hättet ihr tun können?«
    »Wir wären einfach da gewesen. Wie ein Puffer zwischen Robbie und Grace. Wir hätten Grace darüber hinweghelfen müssen, dass Robbie sie früher oder später endgültig verlassen würde. Wenn wir hier gewesen wären, hätten wir den Krieg aufhalten können, der zwischen ihnen im Gang war.«
    »Ich habe nie erlebt, dass zwischen ihnen Krieg war«, sagte Lauren.
    »Nein, das haben sie versteckt. Sie haben gestritten, wenn du im Bett warst oder in der Schule oder bei Freunden. Grace hätte nicht zugelassen, dass du etwas davon mitbekommst. Sie hat dich und das Baby über alles geliebt. Du warst ihr Ein und Alles. Als wir nach Spanien gefahren sind, hat Jessie gesagt, Die Kinder werden ihr helfen, das durchzustehen. Sie werden ihr Kraft geben, um diesen Mistkerl zu vergessen.«
    »Die Chance hat sie nie bekommen.«
    »Ich weiß noch, wie wir in einer Bar in Barcelona saßen, und Jessies Vater rannte über die Promenade auf uns zu. Jessie hat erst noch Witze gemacht. Was rennt er denn so, der alte Spinner , hat sie gekichert, und als er an unseren Tisch kam, habe ich gesagt, Nach dem Sprint brauchst du auf jeden Fall ein Bier. Aber er hat nur den Kopf geschüttelt und konnte nicht sprechen, weil er so außer Atem war. Dann hat er gesagt: ›Es ist etwas Schreckliches passiert.‹
    Er schwieg einen Moment. Dann griff er ins Handschuhfach und zog ein Päckchen Zigaretten hervor.
    »Die brauche ich jetzt«, sagte er, steckte sich eine an und nahm

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