Die einzige Zeugin
er. »Hast du die Nase voll von mir?«
»Nein!«
»Wenn du lieber gehen willst …«
»Nein!«, sagte sie halb entnervt. »Ich habe dir doch gesagt, es ist etwas Persönliches. Es hat mit meiner Familie zu tun.«
»Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest.«
Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte ihm das alles einfach nicht erzählen. Oder sonst irgendjemandem.
»Vielleicht würde es helfen, wenn du es mir erzählst. Wenn du mir vertraust.«
Sie war plötzlich misstrauisch. Wollte er die Einzelheiten hören? War es das?
»Ich will nicht darüber reden«, sagte sie scharf. »Ich habe es dir schon einmal gesagt, ich rede nicht darüber. Wenn das der einzige Grund ist, aus dem du mit mir zusammen sein willst, gehe ich jetzt besser. Wenn du herausfinden willst, was mit meiner Familie passiert ist, musst du das schon im Internet tun. Von mir erfährst du nichts!«
»Mann!«, sagte er und hob beschwichtigend die Hände. »Das denkst du doch nicht wirklich? Dass ich mit dir zusammen sein will, um dich über deine Vergangenheit auszuquetschen?«
»Du hast gesagt, dass du Nachforschungen über das Haus anstellst. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du gesagt, Ich muss wissen, was in diesem Haus passiert ist. Bin ich deswegen hier? Damit du es endlich erfährst?«
»Ich kann nicht glauben, dass du das gesagt hast.«
Er sprach die Worte düster aus. Er stand auf. Die Hunde sahen ihn erwartungsvoll an.
»Ich gehe mit den Hunden raus«, sagte er.
Sie konnte ihm nicht antworten. Sie hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel und spürte, wie sich ihre Schultern vor Ärger und Enttäuschung verkrampften. Warum musste sie sich so verhalten? Warum konnte nicht alles einfacher sein? War ihr Leben nicht schon dramatisch genug?
Und dann war da auch noch Donny. Donny bekam nun doch kein Baby. Ehrlich gesagt klang es so, als wäre es zwischen Donny und seiner Neuen vorbei. Jessica musste davon erfahren. Lauren sollte sie anrufen oder ihr eine Mail schreiben. Aber wenn sie das täte, würde Jessica in den nächsten Zug springen und zurück nach London kommen, und das wollte sie nicht. Nicht, solange diese andere Sache mit der Anwältin im Gang war.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Sie ging in die Küche und setzte sich an den Laptop. Sie ging Nathans Dateien durch und fragte sich, ob er die Artikel noch immer auf seinem Rechner hatte, die sie vor Wochen gesehen hatte, als sie das erste Mal bei ihm gewesen war. Sie entdeckte einen Ordner, der Hazelwood Road hieß. Sie öffnete ihn.
Da war der Zeitungsartikel, den sie gesehen hatte.
Freitag, 23. Juni
Tod im Eigenheim.
Doppelmord an Mutter und Kind in der Hazelwood Road. Siebenjährige überlebt Blutbad.
Dringende Fahndung nach dem Vater, Robert Slater.
Sie las den Artikel von vorne bis hinten, dieses Mal langsam, um jede Information aufzunehmen.
Es war eine schockierende Szene, die sich den Polizeibeamten in einem Einfamilienhaus in der Hazelwood Road, East London, bot. Grace Slater, Mutter von zwei Kindern, und ihre neun Monate alte Tochter wurden am vergangenen Montagmorgen um kurz nach sieben tot im ersten Stock ihres Hauses aufgefunden.
Die Polizei war alarmiert worden, nachdem die siebenjährige Tochter, die das Blutbad überlebte, um Hilfe gerufen hatte. Es wird vermutet, dass ein Eindringling beide Kinder ermorden wollte und von der Mutter gestört wurde, die durch einen einzigen Messerstich getötet wurde. Die Stellungnahme der Polizei wird für den heutigen Nachmittag erwartet.
Sie klickte sich durch die anderen Dateien. Es waren weitere Zeitungsartikel, die dasselbe in anderen Worten wiedergaben. Dann stieß sie auf einen anderen Artikel. Er war nicht aus einer Tageszeitung, sondern vermutlich aus einem Wochenmagazin. Sie suchte nach dem Datum. Er war neun Monate nach der Verurteilung ihres Vaters erschienen. Die Überschrift lautete Warum Väter töten .
Der Artikel war lang. Sie scrollte über die ersten Absätze, bis sie zum Namen ihres Vaters kam.
Der Fall Slater kann als Musterbeispiel Aufschluss darüber geben, wie Männer dazu getrieben werden, die eigene Familie zu ermorden. Laut Staatsanwaltschaft hatte Grace Slater ihrem Mann angedroht, mit ihren beiden Töchtern nach Spanien zu gehen und dem Vater das Besuchsrecht zu verweigern, und ihren Mann so zu der Tat getrieben. Verzweifelt und wütend suchte Robert Slater seine Familie mitten in der Nacht auf und stritt mit seiner Frau. Die Auseinandersetzung endete damit, dass
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