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Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
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eine Hand hereinschob, die etwas festhielt.
    Es waren Tücher, in allen Farben, die aus der Hand des Clowns quollen.
    Sie hatte erwartet, dass es ein Messer sein würde. Sie schloss die Augen und fing an zu weinen. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber es kam kein Ton heraus.

    »Lauren! Was machst du hier?«
    Eine Hand schüttelte ihre Schulter.
    Sie wachte auf und warf den Kopf hin und her.
    Im dunklen Schlafzimmer war es ruhig und kühl. Sie schaute sich um. Sie lag auf dem Bett. Nathan saß neben ihr. Sie blickte zur Tür. Kein Clown. Keine Katze. Niemand. Alles nur ein Traum. Ein böser Traum.
    Sie stieß einen kleinen Schluchzer aus und zog sich in eine aufrechte Position. Ihr Herz klopfte.
    »Was ist los? Warum bist du hierhergekommen? Ich dachte, du wolltest nicht in dieses Zimmer.«
    Nathan sah verstört aus.
    »Ich musste«, sagte sie. In ihren Augen standen Tränen, und ihre Nase lief.
    »Verstehe ich nicht.«
    »Ich musste ausprobieren, ob ich mich an irgendetwas anderes erinnere. Ich muss eingeschlafen sein. Ich hatte einen schlimmen Traum. Es ist bestimmt der Alkohol. Ich weiß es nicht.«
    »Komm, wir gehen runter. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass du freiwillig dieses Zimmer betrittst.«
    Er führte sie aus dem Zimmer. Sie ließ ihn ihre Hand nehmen, als wäre sie ein kleines Mädchen. Als sich die Tür hinter ihr schloss, erinnerte sie sich, wie ihre Mutter vor dem Puppenhaus gesessen und mit den Figuren gespielt hatte. Das war kein Traum gewesen. Ihre Mutter hatte davor gekniet und mit dem Puppenhaus gespielt. Sie war ganz sicher.

23
    Sie erwachte auf dem Sofa. Ihr Kopf war schwer. Sie stützte sich auf die Ellbogen und sah sich nach ihrem Handy um. Es lag auf dem Boden. Sie hob es auf. Es war zehn nach elf. Sie setzte sich langsam auf. Kurz hatte sie gedacht, dass sie in der Schule sein müsste, aber es war Samstag. Sie warf die Haare zurück, band sich einen Pferdeschwanz und strich die losen Strähnen hinters Ohr. Sie hörte das Tapsen der Pfoten, und die Hunde kamen herein. Sie wedelten eifrig mit dem Schwanz, als hätten sie sie wochenlang nicht gesehen. Sie streichelte beide und musste unwillkürlich lächeln.
    Nathan kam hinter ihnen ins Zimmer.
    »Hey«, sagte sie.
    »Wie fühlst du dich?« Er setzte sich neben sie aufs Bett.
    »Etwas mitgenommen«, sagte sie und legte die Hand an die Stirn. »Danke, dass du dich um mich gekümmert hast. So was passiert mir sonst nicht. Es lag an dem Zimmer.«
    Er nickte. Er biss sich auf die Lippe und sah besorgt aus.
    »Es ist meine Schuld. Du hättest nicht hierbleiben sollen.«
    »Nein, es ist gut – es ist gut, dass ich hier bin. Ich habe mich an so viele Sachen erinnert. Es ist klar, dass mich das beunruhigt. Das geht nicht anders. Aber es ist besser, es zu wissen, oder?«
    »Ich denke schon.«
    »Aber für eine Sache gebe ich dir wirklich die Schuld.«
    »Was?«
    »Die Kopfschmerzen. Du hast mich ganz schön abgefüllt!«
    »Ich hole dir ein Aspirin.«

    Sie stand unter der Dusche und ließ das heiße Wasser auf sich niederprasseln. Es war eine schlimme Nacht gewesen, und doch hatte sie das Gefühl, einen großen Schritt vorwärts gemacht zu haben. Sie war im Zimmer ihrer Eltern gewesen. Sie hatte dort geschlafen. Sie hatte den Mut gehabt, den Schritt in die Vergangenheit zu wagen.
    Der Traum hatte sie beunruhigt und verwirrt. Er war eine Art Cocktail aller Dinge, die sie in den letzten Wochen beschäftigt hatten. Aber irgendwo darin steckte eine Art Wahrheit. Sie hatte wirklich Schritte gehört, die nach oben ins Schlafzimmer kamen. Hatte sie damals Angst vor ihnen gehabt? Sie war unruhig und angespannt gewesen, aber wie hätte sie wissen können, was danach passierte? Die Angst in ihrem Traum war da, weil sie jetzt, zehn Jahre später, wusste, was die Schritte zu bedeuten hatten. Was passiert war, als die Tür aufging. Die Informationen über William Doyle hatten ihre Erinnerungen neu geschrieben.
    Ein Clown mit roten Lippen und abstehenden Ohren. Sie hatte damals nichts verstanden. Sie hatte ihn im Kaufhaus, vor ihrer Haustür und am Fenster gesehen, aber sie hatte nichts verstanden. Sie war ein Kind. Sie hatte nur einen winzigen Ausschnitt eines viel größeren Bildes gesehen. Es war, als schaute sie durchs Schlüsselloch in ein Zimmer und sehe nur einen Bruchteil dessen, was darin vor sich ging.
    Jetzt glaubte sie zu verstehen. Ihre Mutter hatte eine Affäre mit William Doyle gehabt. Dann hatte sie aus irgendeinem Grund

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