Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
Vom Netzwerk:
schreckliche Angst vor ihm bekommen.
    Irgendwo unter diesen Gedanken war ein Fünkchen Hoffnung, das sie kaum ernst zu nehmen wagte. Wie eine schmale Kerze in einem dunklen Raum, eine flackernde Flamme, die kaum Licht spendete. Es bestand die Möglichkeit, dass ihr Vater unschuldig war. Sie hatte zehn Jahre dagegen angekämpft. Die winzige Chance, dass sie unrecht gehabt hatte. Dass sie in Wirklichkeit gesehen hatte, wie ihr Vater seine ermordete Frau entdeckte.
    Nathan war für sie da gewesen. Er war ganz plötzlich in ihrem Leben aufgetaucht. Sie hatte ihn nur wegen des Hauses, nur wegen ihrer Vergangenheit kennengelernt. Die Hazelwood Road hatte für sie auch etwas Gutes hervorgebracht.
    Sie seifte sich ein und duschte sich ab. Als sie das Wasser abdrehte, wurde ihr plötzlich kalt und sie bekam Gänsehaut. Sie trocknete sich schnell ab und zog sich an. In der Küche hatte Nathan Butter, Marmelade und Honig auf den Tisch gestellt. Es duftete nach Toast. Obwohl ihr Kopf noch immer schmerzte, fühlte sie, dass sie hungrig war.
    »Hier ist das Aspirin«, sagte er und reichte ihr die Packung. Dann stellte er einen Stapel Toasts auf den Tisch.
    Sie schenkte sich Orangensaft ein.
    »Wirst du mit deiner Tante darüber reden?«
    Sie setzte sich an den Tisch und runzelte die Stirn. Sie nahm einen Toast und bestrich ihn mit Butter. Unter dem Gefühl der Erleichterung schwelte weiter die Sorge. Wie würde Jessica reagieren, wenn sie zu der Anwältin ging und ihr Dinge erzählte, die ihren Vater entlasten würden? Für mich ist der Mann gestorben , hatte Jessica erst vor wenigen Wochen zu ihr gesagt.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie und biss in ihren Toast.
    »Du musst mit ihr reden. Und was ist mit deinem Onkel? Ich weiß, er wohnt nicht mehr bei euch, aber hast du nicht gesagt, dass er für dich wie ein Vater war?«
    Sie nickte. »Mit Donny kann ich sprechen. Mit ihm ist es einfacher als mit Jessica.«
    »Aber früher oder später musst du es ihr sagen.«
    »Nächste Woche bin ich bei ihr in Cornwall. Vorher wird sowieso nichts passieren. Es ist besser, wenn ich persönlich mit ihr rede. Außerdem kann es genauso gut sein, dass nichts dabei herauskommt. Vielleicht hat dieser William Doyle überhaupt nichts mit der ganzen Sache zu tun. Ich warte, bis ich etwas von der Anwältin höre. Es hat keinen Zweck, Jessica zu beunruhigen, wenn nichts dabei herauskommt.«
    Sie schwiegen einen Moment. Lauren aß gierig ihren Toast.
    »Ich muss gleich zur Arbeit. Wollen wir uns hinterher treffen? Gegen sechs? Wir könnten noch irgendwo hingehen«, sagte Nathan.
    »Hört sich gut an. Ich gehe heute Nachmittag nach Hause und packe schon mal ein paar Sachen. Dann habe ich nächste Woche nicht mehr so viel zu tun.«
    »Dann sehen wir uns im Museum. Um sechs.«
    Sie nickte, ihr Mund war zu voll zum Sprechen.
    Nachdem er gegangen war, räumte sie den Tisch ab. Dann packte sie ein paar Sachen in ihre Tasche.
    Bevor sie das Haus verließ, ging sie noch einmal nach oben und öffnete die Tür zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Die Sonne schien durch die Vorhänge und der Raum war hell und warm. An der Stelle, an der sie gelegen hatte, war das Bettzeug zerdrückt. Die Wände waren cremefarben gestrichen und die Fensterrahmen waren abgeschmirgelt. Die Dielenbretter waren unbehandelt.
    Sie ging hinein.
    Es war nur ein Zimmer. Nur vier Wände mit Möbeln darin. Es gab keinen Hinweis auf die Vergangenheit, keine Erinnerung an das, was hier passiert war. Sie strich die Decke glatt und schlug sie zurück, damit die Matratze lüften konnte. Dann schüttelte sie die Kissen auf.
    Unten nahm sie sich ihre Tasche und ging.

24
    Im Haus in Bethnal Green roch es muffig. Sie öffnete alle Fenster und lüftete. Dann ging sie nach oben in ihr Zimmer und schaltete den Computer ein. Sie schrieb eine Mail an Rachel Morris und listete alle Dinge auf, an die sie sich in Bezug auf den Clown erinnert hatte. Sie versuchte, in ihren Beschreibungen so genau wie möglich zu sein. Über ihren Vater schrieb sie nichts. Jeglicher Hinweis, dass sie ihre Geschichte änderte oder neu auslegte, was sie gesehen hatte, wäre zu viel. Wenn ihr Vater seine Unschuld beweisen wollte, musste er das ohne ihre Hilfe tun. Sie hatte gesehen, was sie gesehen hatte.
    Außerdem musste sie immer wieder an Jessica denken.
    Jessicas Hass auf Laurens Vater war nie abgeklungen, im Gegenteil, er war im Laufe der Jahre eher noch stärker geworden. Als Donny Jessica verlassen hatte, war ihre ganze Welt

Weitere Kostenlose Bücher