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Die einzige Zeugin

Die einzige Zeugin

Titel: Die einzige Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Cassidy
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wie ihr Körper. Nicht wie die neueren Puppen, deren Glieder beweglich waren und die man in verschiedenen Positionen aufstellen konnte. Sie trug ein schlichtes graues Kleid, eine Hausangestellte. Sie legte die Figur vor sich auf den Tisch und sortierte die Pfannen und Töpfe. Sie nahm alles heraus und staunte über die vielen winzigen Gegenstände: Teller und Platten und sogar ein Sieb und ein Nudelholz. Sie stellte die Anrichte an die Wand und den großen Küchentisch in die Mitte des Raums auf. Nach und nach räumte sie alle Gegenstände wieder ein und begutachtete ihr Werk kritisch.
    Als sie klein war, hatte ihre Mutter sie nie so lange mit dem Puppenhaus spielen lassen. Länger als fünf Minuten durfte sie sich nicht damit beschäftigen. Außer an den Tagen, an denen sie sehr früh aufwachte, sich leise vor das Haus setzte und sich Geschichten über die Leute darin ausdachte. Und dabei hatte ihre Mutter versucht, Jessica für das Haus zu begeistern, indem sie sich kleine Spiele ausdachte. Jessica, die das Haus nicht gemocht hatte, hätte damit spielen können, soviel sie wollte, aber Lauren durfte nicht.
    Der Regen prasselte gegen die Scheiben. Sie zog die Strickjacke enger um sich und überlegte, ob sie Socken anziehen sollte.
    Als sie mit dem Kinderzimmer anfing, entdeckte sie etwas Seltsames. An der Wand lag ein Füller. Ein richtiger Füller, keine Miniatur. Sie nahm ihn heraus. Zwischen all den winzigen Gegenständen kam er ihr irgendwie unwirklich vor. Sie räumte die Möbel aus dem Zimmer. Das Bettchen lag in der Mitte auf einem Haufen Figuren und Spielzeug. Sie nahm die Figur eines kleinen Jungen mit runden, rosigen Wangen heraus. Der Kleiderschrank und die Kommode waren nicht beschädigt, aber sie stellte bedauernd fest, dass einige der zerbrechlicheren Gegenstände kaputtgegangen waren. Vom Schaukelstuhl war eine Kufe abgebrochen, und als sie ihn aufstellen wollte, kippte er nach vorne. Der Puppenwagen hatte seinen Griff verloren und vom Kinderstuhl waren die Beine abgebrochen. Wenn sie die fehlenden Holzstückchen fand, könnte sie die Möbel reparieren. Es lagen noch viele kleine Teile herum, aber sie brauchte mehr Licht, um alles erkennen zu können. Wenn sie wieder mit dem Finger auf die Suche ging, holte sie sich womöglich noch einen Splitter.
    Sie tappte leise nach unten und holte eine Taschenlampe aus der Küche. Als sie wieder in ihrem Zimmer war, leuchtete sie damit das Kinderzimmer aus. Es lagen mehrere Holzstückchen herum, und sie nahm jedes einzelne heraus und legte es auf den Tisch. Die geschwungene Kufe des Schaukelstuhls war auch dabei und sie passte. Lauren freute sich. Es würde möglich sein, den Stuhl zu reparieren. Sie schaute wieder in den beinahe leeren Raum. Auf dem Boden lag ein Teppich, der fast die gesamte Fläche bedeckte. Es lagen noch einige abgenutzte Spielsachen darauf herum und ein paar Bilder, die von der Wand gefallen waren. Sie beschloss, den Teppich herauszunehmen, damit alle kleinen Teile darauf liegen blieben. Sie zog vorsichtig an den Ecken, und der Teppich löste sich vom Boden.
    Etwas zog ihren Blick an.
    Unter dem Teppich lag Papier. Weißes Papier.
    Sie runzelte die Stirn. Das Papier war unnatürlich hell im Kontrast zu den braunen, grünen und gelben Farbtönen des Hauses. Sie fragte sich, ob es dort hingelegt worden war, um eine glattere Oberfläche für den Teppich zu schaffen. Sie legte die Taschenlampe ab und hob mit beiden Händen den Teppich an. Sie zog das Papier darunter hervor und legte es zur Seite. Dann zog sie den Teppich ganz aus dem Zimmer und hob ihn auf der flachen Hand auf den Tisch.
    Ihre Hände waren staubig und sie rieb sie an der Strickjacke ab. Auf dem Schreibtisch lagen mehrere kleine Gegenstände und einige zerbrochene Teile. Ihr Mund war trocken. Sie hätte gerne ein Glas Wasser gehabt. Sie lockerte ihre Schultern und betrachtete wieder das Papier. Warum war es wohl hier hingelegt worden? Sie nahm es in die Hand. Es waren mehrere gefaltete DIN-A4-Seiten. Wahrscheinlich war der Teppich abgenutzter als der im Wohnzimmer, oder vielleicht war etwas mit dem Boden nicht in Ordnung. Sie leuchtete den Boden mit der Lampe an. Er sah fest und eben aus.
    Sie knipste die Taschenlampe aus. Dann faltete sie das Papier auseinander. Dabei entdeckte sie etwas, das sie vorher nicht gesehen hatte. Auf der ersten Innenseite stand ein Wort. Sie las es und fühlte, wie ihr der Atem stockte.
    Jessica .
    Sie faltete die Seiten ganz auseinander und wollte

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