Die Eisbärin (German Edition)
Bergmann.
„Luminol?“
Kleins Interesse war nun geweckt.
„Ja, ich gehe davon aus, dass wir es hier mit sichtbar gemachten Blutspuren zu tun haben.“
„Ziemlich beeindruckend.“
Dieses Mal meinte er es ernst.
„Du hast das nächste Bild noch nicht gesehen.“
Bergmann hatte nicht zu viel versprochen. Die Aufnahme zeigte einen der Flecken in Nahaufnahme, und dieser setzte sich seinerseits aus vielen, kleineren Teilen zusammen. Das Muster und die Form, die sie bildeten, waren eindeutig.
„Der Abdruck einer Schuhsohle“, sagte Klein und spürte, wie ein Teil von Bergmanns Aufregung auf ihn übersprang.
„So ist es, aber es kommt noch besser.“
Wieder ein Klick und wieder ein neues Bild. Das Motiv blieb gleich, doch jetzt war die Spur numeriert und vermaßt. Seitlich und oberhalb des Abdrucks war Zentimeterfolie auf den Boden geklebt.
„Jetzt schau mal auf die Zahl oben links“, forderte Bergmann ihn auf.
Klein rückte ein Stück näher heran.
„27“, sagte er, überlegte eine Weile und fügte dann hinzu: „Das ist nicht sonderlich viel, habe ich recht?“
„Sehe ich auch so. Gibst du mir mal dein Lineal?“
Klein ging zu seinem Schreibtisch, kramte in einer der Schubladen und kam mit einem alten 30-Zentimeter-Lineal zurück, das aber nur noch 16 Zentimeter und eine Bruchkante zeigte. Bergmann riss es ihm förmlich aus der Hand, legte ihren linken Fuß auf den rechten Oberschenkel und hielt das Lineal unter die Schuhsohle. Mit dem Kugelschreiber markierte sie die Stelle bei 16, dann schob sie das fehlende Stück nach.
„28,5“, sagte sie, „und ich trage Größe 39.“
Eine Weile sagte niemand etwas. Bergmann verharrte in ihrer Position, Klein stand neben ihr und legte den Kopf in den Nacken. Schließlich atmete er schwer aus und blickte sie an. „Wie viele Männer kennst du, die Schuhgröße 39 oder weniger tragen?“
Bergmann musste nicht lange überlegen.
„Zumindest keine, die älter sind als zwölf.“
„Das habe ich mir gedacht.“
„Hör mal, Günther. Wie heißt die Frau von Karsten Kohlmeyer noch gleich?“
„Gertrud.“
„Ja, wir wissen nicht, ob sie auch im Zimmer war, oder? Der Abdruck könnte von ihr stammen.“
„Nein, angeblich hat ihr Mann sie angewiesen, im Zimmer zu bleiben. Sie ist erst runtergegangen, nachdem die ersten Kollegen eingetroffen sind. Und dann hätte ihr sicherlich niemand erlaubt, den Tatort zu betreten. Aber ich werde das überprüfen.“ Plötzlich ergriff ihn ungeheurer Eifer. Er lief zum Telefon. „Vorher rufe ich Sperber an. Ich will verdammt noch mal wissen, warum wir diese Entdeckung selber machen müssen.“
Er hielt gerade den Hörer ans Ohr, als polternde Schritte auf dem Flur zu hören waren. Eine Sekunde später stand ein sichtlich angeschlagener Sperber in der offenen Tür und grinste ihnen müde zu.
„Ich wollte dich gerade anrufen“, sagte Klein zur Begrüßung und legte wieder auf.
„Entschuldigt, ich komme gerade aus der Gerichtsmedizin. Es gibt interessante Neuigkeiten.“
„Wartet auf mich“, sagte Klein und lief in Richtung Tür. „Ich muss runter zu Dieter. Gebt mir fünf Minuten.“
Dann war er verschwunden.
„Möchtest du etwas trinken?“, fragte Bergmann.
„Nein, danke“, lehnte Sperber ab und ging ein paar Schritte auf sie zu. „So eine Obduktion verdirbt mir schon mal den Magen.“
Dann warf er einen Blick auf den Bildschirm.
„Ach“, sagte er verblüfft. „Ihr habt es also schon entdeckt?“
„Ja, gerade eben. Günther ist ziemlich aus dem Häuschen deswegen. Er ist gerade bei Hecking, um rauszukriegen, ob Kohlmeyers Frau im Zimmer war.“
„Nun“, seufzte Sperber, holte sich einen Stuhl aus der Ecke und setzte sich neben Bergmann. „Das kann ich ausschließen, sie trägt Größe 40. Außerdem hätte es bedeutet, dass die gute Trudi nicht nur im Schlafzimmer war, sondern auch durch den Zaun gekrochen und in den Wald abgehauen ist.“
Bergmann drehte sich um und sah den Kriminaltechniker ungläubig an.
„Du meinst, es gibt weitere Abdrücke im Waldboden?“
„Ja“, bestätigte er und schenkte ihr ein erschöpftes Lächeln. „Die sind sogar noch besser.“
Er nickte aufmunternd in Richtung Computer. Bergmann wechselte den Ansichtsmodus und suchte nach den Bildern, die außerhalb des Hauses aufgenommen wurden.
„Ganz hinten“, sagte Sperber, doch sie war bereits fündig geworden.
Die Eindruckspur im lehmigen Waldboden war gestochen scharf. Sie erkannte das Sohlenprofil von
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