Die Eisbärin (German Edition)
wenn Papa nicht da ist. Ich wollte es ganz dunkel und leise haben, damit ich einschlafen kann. Hast du immer noch Schmerzen, Liebes?“
„Nein, jetzt nicht mehr. Ich habe also keine Blasenentzündung?“
„Nein, ich glaube nicht. Alles ist gut.“
Den restlichen Weg berichtete Laura von den Erlebnissen ihres Schultages, aber Sabine konnte ihr nicht folgen. Sie hatte sich für stark und unbesiegbar gehalten, aber jetzt wurde ihr klar, was für eine jämmerliche Figur sie in Wahrheit bot. Wieder einmal hatte sie nur der Zufall davor bewahrt, alles zu verlieren. Wie eine Lawine sah sie die drohenden Konsequenzen auf sich zurasen, wenn sie scheiterte. Alles würde ihr genommen, alles würde zerstört und begraben werden. Wenn es überhaupt noch eine Chance gab, dieses perfide Spiel zu gewinnen, musste sie sich jetzt zusammenreißen. Keine weiteren Fehler. Sie musste kämpfen. Nicht für sich selbst. Für ihre Familie. Für ihr kleines Mädchen.
Mittwoch, 24. November, 15.20 Uhr
Klein saß in seinem Büro und dachte an Antonia Obermayer. Eines musste er Martens lassen. Der schmierige Agenturbetreiber hatte durchaus ein Händchen für attraktive Angestellte. Genau wie Janina Violetta Galuschka hatte sie den Polizisten unverblümt von den Abläufen bei Lüschers Terminen erzählt, und es gab keinen Grund, an ihren Angaben zu zweifeln. Keine widersprüchlichen Details rückten sie auch nur in die Nähe eines Tatverdachts. Klein fragte sich, wie viele Nieten er in diesem Fall wohl noch ziehen würde. Immerhin musste er lächeln, als er an den armen Michael Martens dachte. Wie sehr musste ihr Auftreten ihn beeindruckt haben, dass er seine Mitarbeiterin nach einer mehrtägigen Buchung in Frankfurt auf direktem Wege zu ihm schickte. Nicht ihr gemeinsames Auftreten, korrigierte er sich. Es war Bergmanns Auftreten. Wieder musste er lachen, als er sich das Bild in Erinnerung rief, wie seine Kollegin sich voll überschäumender Wut über den Tresen beugte, Martens am Kragen packte und ihn beschimpfte wie ein Rohrspatz. Er schielte hinüber zu ihr und sah, dass sie noch immer damit beschäftigt war, die DVD mit den Tatortfotos zu sichten. Die Spezialisten vom Landeskriminalamt würden zwar einen umfassenden Spurenbericht dazu abliefern, aber Sperber hatte sich dafür eingesetzt, dass seine Kollegen vorab eine Kopie der Fotos erhielten.
„Und? Wie kommst du voran?“
Bergmanns Hirn registrierte die Frage scheinbar erst mit zeitlichem Verzug.
„Ich fürchte, nur langsam“, sagte sie schließlich. „Das ein oder andere Detail hätte ich mir gern erspart.“
„Die Jungs sind halt gründlich.“
„Ja, oder blutgeil.“
In diesem Moment klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch.
„Klein.“
„Hallo, Günther, Manfred hier. Alles so weit erledigt. Das LKA und Sperbers Leute sind weg. Sind Karsten Kohlmeyer und seine Frau schon bei euch eingetroffen?“
„Ja, Hecking nimmt die Aussagen der beiden auf. Was macht das Haus?“
„Bereits versiegelt. Mit unseren Leuten ist auch ein Großteil der Schaulustigen abgezogen.“
„In Ordnung. Hat die Durchsuchung des Waldstücks etwas ergeben?“
„Leider nein. Sie machen aber weiter bis zum Einbruch der Dunkelheit, genau wie die Taucher. Auch sie haben bislang nichts gefunden. Das Haus selbst ist verpostet. Wir rücken dann ab.“
„Gut, Manfred, wir sehen uns nachher.“
Klein legte auf und wollte sich gerade in einen der zahlreichen Berichte vertiefen, als Bergmann ausrief:
„Ach du Scheiße!“
Klein bemerkte, wie sie näher an den Bildschirm rückte. Die Computermaus flog hektisch über die Unterlage.
„Was ist? Was hast du gefunden?“
„Komm her, das musst du dir ansehen!“, sagte sie, ohne den Blick vom Monitor zu lösen.
Klein schälte sich aus dem Drehstuhl und lief um die beiden Schreibtische herum zu Bergmanns Arbeitsplatz. Er betrachtete das Foto, konnte jedoch nichts als Schwärze entdecken. „Was soll das sein? Ist dein Bildschirm kaputt?“
„Nein, das ist eine Übersichtsaufnahme von Kohlmeyers Schlafzimmerfußboden.“
„Wow“, sagte Klein lakonisch. „Ziemlich beeindruckend.“
Nur Bergmanns spürbare Aufregung hielt ihn davon ab, zu seinem Platz zurückzukehren.
„Warte ab“, sagte sie und öffnete das nächste Bild. Der Hintergrund war immer noch dunkel, aber plötzlich wimmelte es überall von bläulich leuchtenden Flecken.
„Das hier entstand offenbar nach Aufsprühen eines Kontrastmittels“, vermutete
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