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Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Gereon
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vor?
    Sabine beschloss, zurückzukehren. Sie erreichte das Auto, stellte sicher, den Eingang gut im Blick zu haben, und wartete ab.
    Gegen 18.45 Uhr bemerkte sie schließlich einen Wagen, der aus entgegengesetzter Richtung kam und in Höhe des Hochhauses anhielt. Keine 30 Sekunden später kam eine junge Frau aus dem Haus und trat auf die Straße. Sabine erkannte einen teuren Mantel und schwarze, glänzende Stiefel mit hohen Absätzen. Die Frau stieg ein, und der Mercedes setzte sich in Bewegung. Sabine zog ihre Mütze tiefer in die Stirn und warf einen flüchtigen Blick ins Innere des vorbeifahrenden Autos. Die Frau war sehr jung und auffallend hübsch. Der Fahrer hingegen war ein bulliger, finster dreinblickender Typ.
    Als der Wagen um die Ecke verschwunden war, startete Sabine den Motor. Ein Gedanke keimte in ihr auf und reifte zu einem Verdacht. Lüscher bezahlte diese Frau dafür, dass sie ihm hörig war und seinen massigen Körper ertrug.
    Du mieses Schwein!, dachte sie, während sie an dem Hochhaus vorbeifuhr. Diese widerliche Bestie fand also immer noch Wege, andere zu demütigen. Die Kraftausdrücke sammelten sich in Sabines Kopf, doch keiner schien ausreichend, um den Hass auch nur annähernd zu fassen, den sie verspürte.
    Sabine zwang sich, ihre ganze Konzentration der Straße zu widmen. Nach ein paar Minuten Fahrt brachte die Eintönigkeit des nächtlichen Verkehrs schließlich ihr Herz dazu, wieder etwas langsamer zu schlagen. Ein eisiger Gedanke trat hervor, und Sabine spürte, wie ihre Lippen Silbe für Silbe die Worte formten: „Ich werde zurückkehren, und dann werde ich dich nicht entkommen lassen. Darauf hast du mein Wort.“

Samstag, 16. Oktober, 19.15 Uhr
    Sabine parkte den BMW neben dem Volvo ihres Mannes und lief über den Kieselweg zum Haus. Leichter Regen hatte eingesetzt, und der auffrischende Ostwind brachte empfindliche Kälte.
    Der von lodernder Glut des Kaminfeuers erleuchtete Wohnraum wirkte schon von draußen gemütlich und einladend. Ein schönes Zuhause, dachte sie, während sie in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln kramte.
    „Hallo, ich bin wieder da“, rief sie in die Stille des Hauses hinein und nahm die Mütze vom Kopf. „Markus?“, schob sie fragend nach und ging hinüber ins Wohnzimmer. Frische Holzscheite lagen in dem prasselnden Feuer und sorgten für behagliche Wärme. Er musste also in der Nähe sein.
    Sie fand ihren Mann schließlich in der Küche. Im Halbdunkel erkannte sie ein gefülltes Glas auf dem Tisch, daneben zwei Rotweinflaschen.
    „Hallo, Markus, hast du mich gerade nicht geh…“
    „Schubert oder Chopin?“, unterbrach er sie und musterte sie von Kopf bis Fuß.
    „Was?“, irritiert starrte sie zurück.
    „Die zusätzlichen Klavierstunden. Die Nachricht auf dem Sekretär, schon vergessen?“
    Seine undeutliche Aussprache und sein glasiger Blick beunruhigten Sabine. Markus trank so gut wie nie, und der Wein hinterließ bereits deutliche Spuren.
    „Ja, ich meine, nein. Frau Heisterkamp konnte nur heute …“
    „Frau wer?“, unterbrach er sie erneut, ohne sie anzusehen, und setzte das Glas an die Lippen.
    „Frau Heisterkamp. Sie ist die Bekannte einer Freundin. Sie konnte nur heute Abend. Es war übrigens Bach. Eine Suite in h-Moll.“
    Ihr gefiel diese Unterhaltung ganz und gar nicht.
    „Hast du schon etwas gegessen?“, fragte sie in der Hoffnung, das Thema wechseln zu können.
    „Oh ja, in der Tat. Ich habe wahrhaft königlich diniert. Es gab zwei edle Scheiben Toast, garniert mit feinster Margarine und vorzüglichem Scheibenkäse!“
    „Wenigstens hatte ganz offensichtlich die Getränkekarte einiges zu bieten!“
    Nun war auch Sabine gereizt. Sofort bemühte sie sich um Schadensbegrenzung und fragte milde: „Ach, Markus, was soll das?“
    „Nein, ist schon in Ordnung“, antwortete er mit schwerer Zunge. „Früher hatte ich mal eine Frau, der es wichtig war, am Samstagabend gemeinsam zu essen. Sie hat sich sogar über Blumen gefreut und war auch sonst ein ziemlich fröhlicher und gutgelaunter Mensch. Aber diese Frau muss irgendwo verschwunden sein und mir eine mysteriöse Zwillingsschwester geschickt haben, die ständig untertaucht, mir aus dem Weg geht, furchtbare Alpträume hat und nicht mit mir darüber reden will!“ Er machte eine kurze Pause. „Übrigens hat meine Frau früher auch nie Adidas zu ihrem Mantel getragen“, fügte er mit einem misstrauischen Blick auf Sabines Turnschuhe hinzu.
    „Markus, es tut mir leid. Die letzte

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