Die Eisbärin (German Edition)
betrachtete es im milchigen Licht der Küchenlampe. Ein sorgfältig und edel gefertigtes Stück.
Damit wolltest du mich also töten, dachte er. Nun, mein Kind, daraus wird wohl nichts.
Er legte das Messer neben die Flasche auf den Tisch und kramte als Nächstes ihr Portemonnaie hervor. Wie dumm von dir, dachte er süffisant. Lange sah er sich das Foto darin an und konnte sich kaum von dem erregenden Anblick lösen. Dann legte er die Geldbörse beiseite. Er steckte das Messer in seinen Hosenbund, schenkte sich einen weiteren Whiskey ein und ging mit dem Glas in der Hand zum Schlafzimmer.
Mit der freien Hand schloss er auf und schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Alles war unverändert. Lediglich Sabines Stöhnen hatte aufgehört. Er konzentrierte seinen Blick auf ihren Bauch und registrierte das regelmäßige Auf und Ab ihres Atems. Sie lebte also noch, war offenbar nur wieder bewusstlos geworden. Langsam trat er an das Bett heran.
„Die kleine Sabine Schwarz. So sieht man sich also wieder“, begann er zu sprechen. „Ist es nicht ein merkwürdiger Zug des Schicksals?“, fuhr er fort. „Das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, lagst du hilflos vor mir im Bett. Nach so langer Zeit sehe ich dich heute wieder, und es hat sich nichts geändert.“ Er machte eine kurze Pause und bedachte sie mit einem mitleidigen Lächeln. „Ich wusste, dass du früher oder später hier auftauchen würdest. Ich gehe sogar jede Wette ein, dass du niemandem erzählt hast, wo du bist. Du dachtest, du wärst so schlau. Leider warst du in Wahrheit dumm und dilettantisch.“ Er betrachtete das Auf und Ab ihres flachen Bauches, während er weitersprach. „Als du mir vom Supermarkt aus gefolgt bist, hast du dich so auffällig verhalten, dass es fast schon peinlich war. Es war so leicht, an deinen Namen zu kommen. Ein Anruf bei der Stadt, die Behauptung, dein Wagen hätte beim Ausparken meinen Wagen beschädigt, schon hatte ich deinen Namen und die Adresse.“
Er setzte das Glas an die Lippen und kippte den restlichen Whiskey hinunter.
„Ich hatte ganz andere Pläne, weißt du? Wollte mit dir und der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben. Aber dann kreuzt du hier auf, schleichst dich in meine Wohnung und willst mich abstechen! Ja, das Messer ist wirklich ein Prachtstück. Vielleicht benutze ich es später noch, ich werd’s mir überlegen.“
Lüscher spürte, wie der Alkohol seine Erregung verstärkte. Er konnte sich kaum noch beherrschen.
„Apropos Prachtstück“, kostete er seine Macht genüsslich aus, „wirklich ein hübsches Ding, die Kleine auf dem Foto. Deine Tochter? Hättest sie ruhig mitbringen können. Mir wäre sicher ein tolles Spielchen für uns drei eingefallen.“
Seine angeregte Phantasie und der Anblick der bewusstlosen Frau vor ihm vermischten sich zu wilder Lust. Er zog das Messer aus dem Bund, öffnete Gürtelschnalle und Reißverschluss seiner Hose und beugte sich über das Bett. Die Klinge legte er neben Sabine auf die Matratze, er würde sie erst später brauchen. Mit gierigen Fingern machte er sich daran, ihren Slip zu zerreißen.
Aus den Augenwinkeln erkannte er, wie ihre linke Hand plötzlich aus der Schlaufe fuhr, blitzschnell unter ihre Hüfte fasste und auf ihn zugeschossen kam. Es ging zu schnell. Er versuchte, sich abzustoßen und aufzurichten, und wusste doch, dass er es nicht rechtzeitig schaffen würde. Im selben Moment durchzuckte ihn ein grauenvoller Schmerz. Etwas Dunkles war herangeflogen und hatte ihn in den Hals gebissen. Wie eine Marionette in der Hand eines wildgewordenen Spielers zuckte sein Körper hin und her. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, dann ließ das Blitzgewitter in ihm endlich nach. Völlig unfähig, sich zu bewegen, sackte er zusammen, kippte nach hinten und blieb schließlich rücklings auf dem Teppichboden des Schlafzimmers liegen. Er wusste nicht, was mit ihm passiert war, aber er stellte fest, dass er zumindest noch am Leben war. Sehen, Hören, Denken, Fühlen, alles schien zu funktionieren, wenn auch eingeschränkt. Nur die Kontrolle über seine Bewegungen hatte er offenbar eingebüßt, seine Gliedmaßen zuckten noch immer heftig und wie fremdgesteuert.
Er hörte, wie Sabine hastig eine Schnalle nach der anderen öffnete, bis sie sich vollends befreit hatte. Sie stieg vom Bett, stellte sich neben ihn und beugte sich zu ihm hinunter. Seine Sinne waren vernebelt, und er konnte ihre Worte nur undeutlich hören.
„Danke für deinen Vortrag. Wer ist jetzt das
Weitere Kostenlose Bücher