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Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Gereon
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geschafft, dass er deine Tochter zu Gesicht bekommen hat! Ist das die Art, wie ich Laura beschützen will? Alles wird ans Licht kommen, und ich habe alles falsch gemacht.
    Schnaubend tauchte sie auf und versuchte, den Ärger über sich selbst wieder abzuschütteln. Sie musste ihre Gedanken wieder in den Griff bekommen. Sie musste weitermachen. Konzentriert versetzte sich Sabine noch einmal zurück in die Wohnung und rekonstruierte die Abläufe. In Gedanken überprüfte sie, ob sie wirklich an alles gedacht hatte. Nachdem Herbert Lüscher vor ihren Augen gestorben war, hatte sie sich angezogen, all ihre Sachen eingesammelt und auf den Stuhl in der Küche gelegt. Anschließend hatte sie mit dem Messer die Lederriemen vom Bettgestell entfernt und das blutige Laken abgezogen. Alles zusammen war in einer großen Plastiktüte gelandet, die sie unter der Spüle hinter dem Abfalleimer fand.
    Mit einem feuchten Lappen war sie über die wenigen Flächen gegangen, die sie berührt hatte, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
    Ansonsten hatte sie darauf geachtet, nichts in der Wohnung zu verändern, sogar das Geld auf dem Küchentisch hatte sie unangetastet liegen lassen. Einzig der Hammer war in ihrer Handtasche verschwunden.
    All das hatte sie in eisiger Ruhe erledigt, als folge sie einem sie vollkommen beherrschenden Befehl. Dann hatte sie einen Moment lang die Versuchung verspürt, sich in der Wohnung umzusehen, um mehr über Herbert Lüscher zu erfahren. Doch schon bei dem Gedanken an ihn war sofort ihre eigene Todesangst mit großer Macht wieder da gewesen. Sabine hatte nach Luft ringen müssen und geschwitzt. Angestrengt hatte sie sich darauf konzentriert, sich anzuziehen und zu vermummen. Dann hatte sie die Wohnung verlassen, ohne noch einmal einen Blick auf den Toten zu werfen. Niemand war ihr im Hausflur oder auf dem Weg zu ihrem Wagen begegnet.
    Die anschließende Fahrt nach Hause hatte ihre ganze Kraft erfordert. Der schmerzende Hinterkopf löste Schwindel und Übelkeit aus. Immer wieder verschwamm ihr Blick.
    Endlich angekommen, hatte sie ihre Kleidung gewechselt, die Sachen, bis auf den Mantel, zu den anderen in den Wagen gelegt und die blickdichte Kofferraumabdeckung zugezogen. Sie würde sich später um die Entsorgung kümmern.
    Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass die Leiche so spät wie möglich gefunden wurde. Im Grunde war sie sicher, nichts befürchten zu müssen. Niemand würde eine Verbindung zwischen ihnen herstellen. Und selbst wenn jemand herausfand, dass sie sich kannten, änderte das nichts. Herbert Lüscher, da war sie sicher, hatte mit keiner Menschenseele je über seine Greueltaten gesprochen. Genau wie sie selbst.
    Sabine stand auf, zog den Stöpsel und trocknete sich ab. Vorsichtig tastete sie ihren Hinterkopf ab. Die Platzwunde blutete nicht mehr, und ihre Lockenmähne würde die Stelle verdecken. Sie befühlte die Ränder, doch nichts schien gebrochen oder abgesplittert zu sein. Sabine drehte sich zur Seite und stellte die beiden Flügel des Spiegels so ein, dass sie ihren Rücken betrachten konnte. Der Hammerkopf hatte sie schwer getroffen. Die Wucht des Aufpralls war trotz ihrer dicken Kleidung so stark gewesen, dass sich ein großes Hämatom gebildet hatte. Die Verletzung an ihrer Hand dagegen war kaum zu sehen. Für die Schürfwunde würde sie sich eine passende Erklärung einfallen lassen.
    In diesem Moment hörte sie die Haustür aufgehen, gefolgt von den plappernden Stimmen vergnügter Kinder.
    „Hallo, Schatz“, rief ihr Mann von unten, „Pizzaservice ist da!“
    „Ich komme gleich!“, rief sie zurück und bereute es sofort. Ihre eigene Stimme klirrte wie brechendes Glas in ihrem Kopf.
    Dann vernahm sie schwere Schritte auf der Treppe nach oben und beeilte sich, einen Bademantel überzuwerfen. Markus klopfte an und öffnete im selben Moment.
    „Hallo, Liebling. Wir sind zurück“, verkündete er mit breitem Grinsen. „Du hast einen schönen Tag verpasst.“
    Wie verdammt recht du damit hast.
    „Alles in Ordnung?“, fragte er, „Du siehst müde aus. Was machen die Kopfschmerzen?“
    „Sind weg“, log sie. „Ich ziehe mich schnell an und komme dann runter.“
    „Ist gut, ich decke den Tisch.“
    Fünf Minuten später stieg Sabine die Treppe hinunter. Zwei kleine Kinder, die ihr mit hellen, aufgeregten Stimmen von ihrem Tag erzählten, und ein Mann, der nach dem Essen vermutlich auf einen romantischen Ausgang des Abends hoffte, waren das Letzte, was sie gebrauchen

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