Die Eisbärin (German Edition)
hast wirklich nichts von deiner Widerwärtigkeit verloren, dachte Sabine, bemühte sich aber um ein freundlich wirkendes Lächeln und trat ein. Ihre rechte Hand, noch immer tief in der Manteltasche vergraben, klammerte sich fester um den Griff des Elektroschockers, und der schwere Kunststoff gab ihr Sicherheit.
„Darf ich Ihnen vielleicht den Schal abnehmen, junge Frau?“, fragte Lüscher und trat einen Schritt auf sie zu.
Jetzt! Auf diese Gelegenheit hast du nur gewartet.
Ihre Muskeln spannten sich an. Ihre Sinne waren geschärft, wie die einer jagenden Raubkatze kurz vor dem todbringenden Sprung auf ihre Beute. Sie wollte gerade den Schocker hervorziehen, um ihn blitzartig an seinen Hals zu stoßen, doch in allerletzter Sekunde entschied sie sich anders.
Herbert Lüscher hatte bereits beide Arme erhoben, um nach ihrem Schal zu greifen. Womöglich hätte sie ihn nicht richtig getroffen, und auf eine Rangelei oder gar einen Kampf konnte sie sich auf keinen Fall einlassen. Das Risiko war viel zu hoch. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als auf eine bessere Gelegenheit zu warten.
„Geben Sie schon her“, schob Lüscher nach, er hatte sie fast erreicht.
„Nein, das ist nicht nötig“, entgegnete sie eine Spur zu schnell und drehte sich ruckartig ein kleines Stück von ihm weg in Richtung des Garderobenständers, den sie neben der Tür gesehen hatte. Mit der linken Hand wickelte sie umständlich den Schal vom Hals, um Zeit zu gewinnen. Verdammt noch mal, bleib ruhig, Sabine. Du hast alles unter Kontrolle, alles läuft nach Plan.
Der erste Schlag traf Sabine genau zwischen die Schulterblätter und ließ sie heftig zusammenzucken. Der zweite traf sie mittig am Hinterkopf und stürzte sie in ein gewaltiges Meer aus Schmerzen. Sie spürte gerade noch, wie ihre Knie nachgaben. Dann wurde es dunkel um sie herum.
***
Herbert Lüscher stand im Flur seiner Wohnung und betrachtete die regungslose Frau. Er hatte mit ihrem Auftauchen gerechnet, seit er vor zwei Wochen ihren Wagen im Rückspiegel beobachtet hatte. Als er ihren Namen in Erfahrung gebracht hatte, war er sicher gewesen, dass sie zurückkommen würde. Angst hatte er keine. Er war immer schon der Stärkere gewesen. Fast hatte er so etwas wie genussvolle Vorfreude auf das Spiel empfunden, das sie zu spielen angefangen hatte und das er gewinnen würde. Dass sie so schnell zur Tat schritt, war das Einzige, was ihn verblüffte.
Den schweren Hammer hatte er vor einer Woche griffbereit neben der Tür plaziert, und die Wirkung des Treffers entsprach genau seinen Vorstellungen. Er wollte sie nicht töten, nicht sofort jedenfalls. Vielmehr genoss er seit Tagen die Vorstellung, noch einmal das mit ihr zu tun, was er schon früher mit ihr getan hatte.
Er beugte sich hinunter, griff von hinten unter ihre Achseln, packte mit beiden Händen ihren vor der Brust angewinkelten Arm und zog sie in sein Schlafzimmer. Keuchend musste er auf halber Strecke eine Pause einlegen. Sein Körper war keine großen Anstrengungen mehr gewohnt, obwohl er ihr Körpergewicht auf deutlich unter 60 Kilogramm schätzte. Schließlich erreichte er das große Bett und hievte sie hinein. Er nahm ihre Handtasche, stellte sie beiseite und zog ihr Mütze, Handschuhe und Stiefel aus. Anschließend öffnete er ihren Mantel. Während er sich fluchend abmühte, die Frau zu entkleiden, bildeten sich dicke Schweißperlen auf seiner Stirn und liefen ihm brennend in die Augen. Er hielt kurz inne, wischte sich übers Gesicht und betrachtete sein Opfer. Dann zog er ihr genüsslich Jeans und Pullover vom Körper.
Sabine stöhnte, und ihre Lippen formten undeutliche Worte. Er beeilte sich, Hände und Füße seines Opfers mit den ledernen Riemen zu fesseln, die er vor langer Zeit am Gestell seines Bettes angebracht hatte.
Als er fertig war, richtete er sich auf und trat an das Fußende des Bettes. Nur noch mit T-Shirt und Slip bekleidet, Arme und Beine weit gespreizt, entfachte Sabine eine ungeheure Gier in ihm. Sein Pulsschlag erhöhte sich, und sein Atem wurde noch schneller, bis ihm schwindelig zu werden begann. Ich muss erst einmal verschnaufen, mich beruhigen, dachte er. Ich brauche dringend einen Schnaps. Er nahm ihre Handtasche, ging hinüber in die Küche und stellte ärgerlich fest, dass kein Jim Beam mehr vorhanden war. Im Kühlschrank befand sich nur Bier, und das reichte ihm jetzt nicht. Er brauchte etwas Stärkeres. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als hinunter in den Keller zu gehen, wo
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