Die Eisbärin (German Edition)
Stuhl am Kopfende des Tisches fallen und erteilte Klaus Sperber das Wort.
Der Kriminaltechniker bedachte die Gemütsregung seines Freundes mit einem unterdrückten Lächeln und versuchte, der gereizten Stimmung im Raum entgegenzuwirken.
„Zuerst die guten Nachrichten“, begann er. „Die Identität unseres Toten steht nun zweifelsfrei fest. Durch Manfred und Henning sind wir an den Zahnarzt von Lüscher herangekommen. Dr. Bertram hat uns umgehend Röntgenaufnahmen des Kiefers zukommen lassen. Der Zahnstatus ist absolut identisch mit dem auf den Aufnahmen, die Dr. Narayan heute Morgen gemacht hat.“
„Wenigstens das“, murmelte Klein und bedeutete Sperber fortzufahren.
„Im Hinblick auf die DNA-Analyse haben wir zwar kein gesichertes Vergleichsmaterial, aber wir untersuchen, ob es Übereinstimmungen der Leichen-DNA mit Proben gibt, die wir Zahnbürste und Kamm aus der Wohnung entnommen haben. Danach überprüfen wir, ob das Muster in den Datenbanken erfasst ist.“
Sperber blickte in die Runde, trank einen Schluck Kaffee und bediente sich aus der Keksdose in der Mitte des Tisches.
„Auch die Todesursache ist eindeutig geklärt. Verbluten nach innen“, berichtete er, wobei ihm das beachtenswerte Kunststück gelang, sämtliche Kekskrümel im Mund zu behalten. „Es ist gesichert, dass der Täter nur ein einziges Mal zugestochen hat. Das jedoch äußerst plaziert und kraftvoll. Ansonsten gibt es keinerlei Hinweise auf weitere Verletzungen. Die toxikologische Untersuchung liefert keine Anhaltspunkte für eine Vergiftung, wobei es natürlich eine ganze Reihe Zeugs gibt, das nicht nachweisbar ist.“
Sperber musste unterbrechen, da ihm ein Krümel in die Luftröhre gerutscht war. Der Riese schlug sich auf die Brust und fuhr hustend fort: „Es konnte jedoch Alkohol festgestellt werden. Lüscher hatte zum Zeitpunkt seines Todes etwa 0,9 Promille intus. Für Otto Normalverbraucher recht hoch, für einen Säufer allerdings kein Wert, mit dem man Eindruck schinden könnte. Und ein Säufer war er in der Tat. Seine Leber musste einiges ertragen, das konnte man mit bloßem Auge erkennen. Aufgedunsen und prall wie ein Schlauchboot.“
„Also war er krank“, unterbrach Klein die Ausführungen. Es irritierte ihn, in welcher Art und Weise Sperber über den Toten sprach.
„Ja, fortgeschrittener Leberschaden“ bestätigte dieser. „Was den Todeszeitpunkt angeht, wurde unsere Vermutung bestätigt. Dr. Schöffing, der Entomologe vom LKA, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tod 18 bis 22 Tage zurückliegt. Wir können ihn also eingrenzen auf Donnerstag, den 28. Oktober, bis Montag, den 01. November. Leider ging es dieses Mal nicht präziser, was den immens hohen Temperaturen geschuldet ist, die in Lüschers Wohnung geherrscht haben. Wir bekommen ein ausführliches Gutachten, auch wenn ich vermute, dass das Fliegen-Fachchinesisch ohnehin niemand von uns verstehen wird.“
„Den Donnerstag können wir ausschließen“, nahm Henning Klee einen Teil seiner Informationen vorweg.
„Umso besser“, entgegnete Sperber. Er schlug die nächste Seite seines Notizblocks auf, warf einen Blick auf die wenigen Zeilen und steckte das Heftchen zurück in die Tasche.
„Spuren“, sagte er und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. „Ich fürchte, da sieht es schlecht aus. Wir haben fast nichts. Ihr wisst alle, dass wir heute in der Lage sind, Fingerabdrücke auf menschlicher Haut sichtbar zu machen. Der hohe Grad der Verwesung hat diese Auswertung jedoch unmöglich gemacht. Das wenige Blut, das wir gefunden haben, stammt ausschließlich von Lüscher selbst.“
Sperber spülte die letzten Krümel mit einem Schluck Kaffee herunter.
„Fast“, hauchte Klein, „du sagtest, wir haben fast nichts.“ Der Ermittlungsleiter sah den Kriminaltechniker beinahe flehentlich an. Dieser hielt einen Augenblick inne.
„Ja, zwei Dinge wären da noch. Erinnert ihr euch an das Bettgestell? Die schmalen Streifen, die heller und sauberer waren als der Rest? Wir haben winzige Teile von Leder auf dem Boden gefunden. Hartes, gepresstes Leder.“ Sperber stutzte kurz und suchte nach einem Vergleich. „So wie …“
„Wie bei einem Riemen?“, murmelte Klein und blickte seinem Freund fragend in die Augen.
„Ja, völlig richtig“, bestätigte Sperber. „Und noch etwas haben wir gefunden. Etwas, das ganz offensichtlich von außerhalb kommt. Es handelt sich um ein Haar.“
Augenblicklich wurde es totenstill. Klein stellte fest, dass diese
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