Die Eisbärin (German Edition)
Information auch für die anderen neu sein musste. Die Neugier der Zuhörer schwoll an, bis die Spannung beinah greifbar war. Auch bei Klein selbst, der um die Bedeutung dieser Momente wusste, stellten sich die Härchen an seinen Unterarmen auf, und er hielt unweigerlich den Atem an. Alle Augenpaare richteten sich auf den hünenhaften Kriminaltechniker, der wieder eine seiner berühmten kurzen Pausen eingelegt hatte.
Schließlich zog Sperber ein weiteres Papier aus der Brusttasche, faltete es auseinander und hielt es in die Höhe. Die Abbildung zeigte ein längliches, graues Gebilde, das entfernt an den Stamm einer Palme erinnerte. Klein spürte einmal mehr den kurzen Stich der Enttäuschung, denn eines erkannte er sofort. Das Bild zeigte kein menschliches Haar.
„Was hier grau erscheint, ist in Wirklichkeit rötlich braun und etwa sechs Zentimeter lang“, erklärte Sperber. „Um genau zu sein, es ist ein Fuchshaar.“
Auf den Gesichtern der Ermittler zeichnete sich eine Mischung aus Unglaube und Interesse ab.
„Was für ein Fuchshaar?“, sprach Lauterbach den Gedanken aller aus. „Was soll uns das sagen?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Sperber. „Wir haben es neben der Leiche auf dem Boden gefunden. Es ist die einzige Ausbeute der gesamten Spurensicherung.“
Sperber hatte seinen Vortrag beendet, und es trat eine längere Pause ein, die Klein schließlich durchbrach.
„Irgendwelche Ideen, Leute?“, fragte er in die Runde.
„Wir könnten es mit einem Jäger zu tun haben.“
Die tief brummende Stimme gehörte zu Manfred Laschinsky. Klein wusste, dass der Älteste unter ihnen selber im Besitz von Jagdschein und Schrotflinte war.
„Du meinst, der Mörder hat die Tat in seiner Wald- und Wiesenkluft begangen, an der noch die Reste der letzten Beute klebten? Nicht gerade wahrscheinlich, oder?“
Es war Bernd Hecking, der die Spitze gegen seinen Kollegen führte.
„Ich sagte ja nur, dass die Möglichkeit …“
Laschinsky kam nicht dazu, sich zu rechtfertigen, denn Klein ging dazwischen.
„Schon gut, Leute. Es geht hier nur um Ideen. Lasst uns alles sammeln, was wir auch nur entfernt mit diesem Haar in Verbindung bringen.“
„Es könnte ein Hinweis oder eine Botschaft sein.“
Henning Klee sprach mit gewohnt leiser Stimme. Aber die Kollegen wussten, dass sie besser gut zuhörten, denn das, was der schmächtige Mann sagte, hatte stets Hand und Fuß.
„Ich erinnere mich an einen Fall, der vor einigen Jahren die Kollegen in Südamerika beschäftigt hat. Der Mörder war ein irregeleiteter Fanatiker. Er hat zwei Vorstandsmitglieder einer Holzfirma ermordet. Bei den verstümmelten Leichen hat man jeweils das Haar eines Berggorillas gefunden. Er wurde überführt und hat nach eigenen Angaben die Morde deshalb begangen, da das Unternehmen Regenwald abgeholzt und somit den Lebensraum der Tiere zerstört hat.“
„Interessante Idee, aber wahrscheinlich nicht ganz übertragbar.“
„Denken wir einen Schritt weiter“, schlug Hecking vor. „Der Mörder könnte es absichtlich dort plaziert haben, um uns komplett zu verwirren, uns abzulenken. Eine falsche Fährte.“
„Oder der Mörder hält sich für unbesiegbar und spricht in Bildern“, sinnierte Klee. „Nach dem Motto, seht her, einen schlauen Fuchs wie mich werdet ihr niemals kriegen.“
„Auch das müssen wir in Betracht ziehen“, stimmte Klein zu. „Was noch?“
„Kleidung“, sagte Bergmann. „Fuchshaar wird gern zur Fütterung von Winterkleidung verwendet.“
„Ja, das ist naheliegend“, sagte Klein aufmunternd. „In Ordnung, wisst ihr was? Wir kümmern uns später um das Haar, lasst uns die weiteren Analysen abwarten.“
Er blickte zu Bernd Hecking und Stefan Lauterbach.
Die beiden berichteten von den ergebnislosen Befragungen der Nachbarn. Niemandem war etwas zu Ohren gekommen, das auch nur annähernd von Belang hätte sein können. An der letzten Tür jedoch hatten sie Glück.
„Wir konnten Lüschers direkten Nachbarn endlich antreffen“, verkündete Lauterbach. „Ein gewisser Jurij Promirov, 62 Jahre alt, alleinstehend. War nachweislich fünf Wochen lang im Krankenhaus und ist erst gestern Abend entlassen worden. Zum Zeitpunkt der Ermordung war er also definitiv nicht zu Hause.“
„Das gibt’s doch gar nicht!“, sagte Klein, und seine Nerven drohten mit ihm durchzugehen.
„Promirov wohnt bereits seit 20 Jahren in dem Haus und gibt an, arbeitslos und tagsüber in der Regel zu Hause zu sein. Ich würde auf
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