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Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Gereon
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lachte kurz auf. „Erbärmliche Loser, die sich Babywäsche anziehen, an einer Flasche nuckeln und darauf abfahren, den Hintern versohlt zu kriegen. Aber bei ihm war es anders. Ich hatte Angst vor ihm. Meine Kolleginnen auch.“
    Klein dachte an die hellen Flecken am Bettgestell.
    „Er hat Sie ans Bett gefesselt, nicht wahr?“
    Janina schaute wieder auf und nickte.
    „Ja, meist auf dem Rücken, manchmal auf dem Bauch. Aber das war nicht mal das Sonderbarste.“
    Klein spürte, wie er innerlich verkrampfte. Mit einem Nicken bedeutete er Janina, fortzufahren, weil er fürchtete, seine Stimme nicht kontrollieren zu können.
    „Wir mussten immer auf junges Mädchen machen, eine Brille tragen und seitliche Zöpfe machen. Das perverse Schwein hat manchmal sogar darauf bestanden, dass wir eine Zahnspange einsetzen. Der Ablauf war immer gleich. Erst wollte er Oralverkehr, danach kam es zum Sex. Er hat immer so laut gestöhnt, dass es mir unangenehm war. Er sagte immer, es könne uns niemand hören. Ich war jedes Mal froh, wenn es vorbei war, was zum Glück nie lange gedauert hat. Ich bin dann schnell raus aus dem Zimmer, hab das Geld vom Küchentisch genommen und bin gegangen. Das ist alles.“
    Janina zündete sich eine weitere Zigarette an und schwieg. Auch Klein brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten.
    „Haben Sie ihn gehasst?“, fragte er schließlich.
    Janina zögerte.
    „Nein. Ich hab mich geekelt und manchmal gefürchtet. Er war bemitleidenswert, aber das sind die meisten. Er war Kunde, und er hat gezahlt. Der Rest spielt keine Rolle.“
    „Janina, am 30. Oktober hatten Sie abends gegen 18.00 Uhr den letzten Termin bei Lüscher. Erinnern Sie sich?“
    Die junge Frau schloss die Augen und legte den Kopf ein Stück in den Nacken. Klein beobachtete das gleichmäßige Pulsieren der Schlagader unter der dünnen Haut ihres Halses. Sie ist völlig ruhig, dachte er. Entweder hat sie nichts zu verbergen, oder sie liefert eine filmreife Leistung. Dann nahm Janina wieder ihre normale Haltung ein.
    „Ja“, sagte sie nur.
    „Und?“ Klein sah sie erwartungsvoll an. „Erzählen Sie uns von diesem Abend, Janina.“
    „Da gibt’s nichts zu erzählen“, antwortete sie und zog an ihrer Zigarette. „Es war wie immer. So, wie ich es gerade geschildert habe.“
    Klein stand auf und ging ein paar Schritte durch das Zimmer. In einer der Ecken blieb er stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine unergründliche Miene auf.
    „Wissen Sie, genau da liegt das Problem. Wir wissen, dass nicht alles so war wie immer. An diesem Abend ist Lüscher ermordet worden. Martens hat uns erzählt, Sie hätten nach Ihrer Rückkehr aus Essen von Schwierigkeiten berichtet. Wir würden gerne erfahren, was das für Schwierigkeiten waren.“
    „Dieser Idiot“, zischte Janina und drückte die Zigarette auf der Innenseite ihres Etuis aus.
    Klein kehrte an den Tisch zurück und setzte sich.
    „Ich weiß nicht, was passiert ist, aber wenn Sie heute Abend nach Hause gehen möchten, dann würde ich jetzt gerne die Wahrheit erfahren.“
    „In Ordnung, ich habs kapiert“, sagte sie. „Ich sage Ihnen, was ich weiß, aber machen Sie sich keine falschen Hoffnungen.“
    „Das habe ich bereits vor langer Zeit aufgegeben“, seufzte Klein.
    „Es war alles wie immer“, begann Janina. „Michael hat mich einen Tag vorher angerufen und mir Bescheid gegeben. Karim hat mich abgeholt, und wir sind nach Essen gefahren. Er hat mich an der Straße rausgelassen und ist weitergefahren. Ich glaube, er wollte etwas zu essen holen. Jedenfalls wollte ich gerade klingeln, als die Haustür aufgerissen wurde. Ich hab mich ziemlich erschreckt. Plötzlich stand eine Frau vor mir. Sie hat pausenlos auf mich eingeredet, irgendwas erzählt, Lüscher sei krank oder nicht da. Ich weiß nicht mehr. Sie hat mir einen Umschlag gegeben, und das war‘s.“
    „Was für einen Umschlag? Geld?“
    Janina nickte.
    „Wie viel?“
    „Die vereinbarten 300 Euro.“
    Klein war nicht sicher, ob sie log. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Es ist immer noch möglich, dass Janina nur ein Spiel mit uns treibt, dachte er.
    „Kannten Sie die Frau?“
    „Nein.“
    „Sie sind ihr nie begegnet? Vielleicht an anderer Stelle?“
    „Nein.“
    „Was haben Sie dann gemacht?“
    „Ich habe mich umgedreht und bin gegangen.“
    „Warum?“
    „Warum, warum“, äffte ihn Janina nach. „Haben Sie überhaupt einen blassen Schimmer, wovon Sie da reden? Wir mögen keine

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