Die eisblaue Spur
Informationen
zufrieden zu sein. Dóra hatte ihnen den Namen und die
Telefonnummer des Mitarbeiters gegeben, falls sie sich vergewissern
wollten. Allerdings war ihr nicht ganz klar, warum die Polizei sie
unbedingt wieder ins Camp bringen musste. Vielleicht war noch etwas
ans Licht gekommen, mit dem sie sie konfrontieren wollten oder bei
dem sie ihre Hilfe benötigten. Es war beispielsweise nicht
ganz einfach, das Computernetzwerk zu untersuchen. Ohne
Friðrikkas und Eyjólfurs Hilfe wäre Dóra
daraus jedenfalls nicht schlau geworden.
»Sie müssen was
gefunden haben.« Der Arzt schien eher mit sich selbst als mit
den anderen zu reden. Er saß auf dem Konferenztisch und
starrte vor sich hin. »Sie verhalten sich ganz anders als
gestern.«
Dóra sah das genauso und
erkannte an Matthias’ Blick, dass er derselben Meinung war.
Die Polizisten wirkten viel ernster, vermieden es, ihnen in die
Augen zu schauen, und stellten kurze, brüske Fragen.
»Garantiert«, sagte Dóra. »Sie sind ja
nicht zum Vergnügen hier. Mit dieser großen Mannschaft
müssen sie irgendwas rausgekriegt haben. Und es ist in unserem
Interesse, dass die Ermittlungen erfolgreich sind. Wir suchen doch
dieselben Antworten, oder was meint ihr?« Es würde
verdammt gut sein, nach Hause zu kommen und nicht länger die
Stimmungskanone spielen zu müssen.
In dem Moment klopfte es an der
Tür, und ein grönländischer Polizist kam herein.
Dóra glaubte zuerst, er hätte eine Waffe in der Hand,
aber die entpuppte sich als ein schwarzes Funkgerät, das an
seinem Gürtel befestigt war. Das Gerät schnarrte kurz,
aber es war keine Stimme zu hören. »Ich will noch mal
mit Ihnen beiden reden.« Der Mann zeigte auf Friðrikka
und Eyjólfur. »Sie sind doch aus dem Team,
oder?«
Eyjólfur stöhnte,
aber Friðrikka schien den Mann gar nicht gehört zu haben.
Sie starrte einfach weiter aus dem Fenster. »Worum geht es
denn?«, fragte Dóra. Sie traute den beiden in ihrem
momentanen Zustand wirklich nicht zu, die Ermittlungen
voranzubringen. »Die beiden waren nicht vor Ort, als die
Knochen entdeckt wurden. Die Frau hatte schon aufgehört, hier
zu arbeiten, und der Mann ist nur ab und zu hier. Vielleicht
können Matthias und ich Ihnen weiterhelfen. Die beiden sind
ziemlich erschöpft.«
Der Polizist öffnete den
Mund und schien Dóra gerade eine Standpauke halten zu
wollen, als das Funkgerät wieder anfing zu schnarren.
Irgendein schwerverständlicher Name wurde gerufen, und der
Polizist hielt sich das Gerät an den Mund. »Ich bin
hier. Over.« Der Mann drehte ihnen den Rücken zu.
»Ich bin nicht allein.« Durch das Rauschen war deutlich
zu hören, wie jemand auf Dänisch sagte: »Du musst
kommen. Das kann man nicht beschreiben. Ich schicke jemanden, um
dich zu holen.«
»Da kommen sie!«,
rief Matthias Dóra vom Fenster aus zu, aber natürlich
hörten es alle und wollten wissen, was los war. Langsam
rollten Autos über die Piste auf das Camp zu und hielten auf
dem Parkplatz an. Dóra kam das Ganze vor wie ein Trauerzug,
und angesichts der Hektik des Polizisten, der überstürzt
aus dem Zimmer gerannt war, schien genau das der Fall zu sein.
Kurze Zeit später war er wieder in den Konferenzraum
gestürmt, um die Schlüssel für den Jeep von
Bergtækni zu holen, da nicht alle Beamten in einen Wagen
passten. Dann war er in rasendem Tempo weggefahren. Seitdem waren
mindestens zwei Stunden vergangen, und alle dachten, er würde
nie zurückkommen und ihnen erklären, was los
war.
Die Autos parkten vor dem
Wohntrakt. Vom Konferenzraum aus konnte man nur das glänzende
Chrom der Stoßstangen sehen und Auspuffrohre, die Rauch in
die kalte Luft pumpten. »Ich gehe mal raus.«
Dóra nahm Matthias’ Arm. »Komm. Der Typ hat
nichts davon gesagt, dass wir keine frische Luft schnappen
dürfen.«
»Das hat er nur
vergessen«, sagte Friðrikka mit schriller Stimme.
»Wir dürfen nirgendwo hingehen. Was, wenn sie eine
Leiche im Auto haben? Das halte ich nicht aus.«
»Gut. Dann bleibst du eben
hier. Ich gehe.« Dóra zog energischer an
Matthias’ Arm. »Komm schon.« Er machte einen
letzten, vergeblichen Versuch, die Autos durchs Fenster sehen zu
können, trat einen Schritt zurück, schien aber immer noch
unsicher zu sein, ob das vernünftig wäre.
»Wenn sie uns sehen,
schicken sie uns sowieso wieder rein. Und dann haben wir die ganzen
Klamotten umsonst angezogen. Ist doch klar, was wir vorhaben. Wer
geht schon raus in die Kälte, wenn er nicht
muss?«
»Gib uns mal
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