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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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starrte die
Sekretärin mit unbewegter Miene an. »Hier ist vor
siebzehn Jahren das letzte Mal jemand durch Eisbären
umgekommen, und das war ein Versehen. Eine alte Frau ist bei
schlechter Sicht im Schneesturm auf einen Bären zugegangen,
und der hat ihr einen Schlag auf den Kopf versetzt. Sie ist im
Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Eisbären greifen
Menschen nur unter ganz bestimmten Bedingungen an.« Er
richtete seinen Blick auf Finnbogi. »Sie sind doch Arzt,
oder?« Finnbogi nickte. »Wir würden Sie gerne nach
Ihrer Meinung fragen. So wie das Wetter aussieht, kann erst morgen
jemand herkommen. Es würde uns helfen, wenn Sie ein paar Dinge
bestätigen könnten.« 
    »Aber
selbstverständlich. Eine Obduktion ist hier allerdings nicht
möglich. Dazu fehlen die Geräte.«
    »Ist es einer der
Männer, die wir suchen?« Dóra war sich nicht
sicher, ob sie lieber eine positive oder negative Antwort
hätte.
    Der Polizeibeamte schaute sie
weder an, noch beantwortete er ihre Frage direkt. »Wir
brauchen jemanden, der die Leichen identifi ... –« Er
zögerte und fügte dann hinzu: »Es ist nicht nur
eine, sondern vermutlich zwei.«
    Dóra und Matthias hatten
ein Problem. Sie hatten erfolgreich so getan, als sei nichts
geschehen; auch Bella hatte sich perfekt verhalten. Friðrikka,
Alvar und Eyjólfur schienen keinen Verdacht zu schöpfen
und hatten nur gefragt, wo der Arzt sei. Sie erzählten ihnen,
der Arzt erkläre der Polizei, wo genau er die Wasserproben
genommen hätte, und niemand wunderte sich darüber. Die
anderen hatten noch keine Ahnung, dass die Ermittlungen
vorangekommen waren. Das würde sich allerdings gleich
ändern, denn Friðrikka oder Eyjólfur sollte die
Leichenteile identifizieren. Und das war das Problem. Wer von den
beiden eignete sich besser? Eyjólfur hatte die ganze Zeit
entspannter gewirkt als die Geologin, aber die schien sich langsam
zu erholen, während er immer unruhiger wurde. Vielleicht war
es zu viel für ihn, die toten Männer zu sehen.
Friðrikka hatte den Bohrmännern nicht so nahegestanden wie
ihrer Freundin Oddný Hildur, während bei
Eyjólfur das Gegenteil der Fall war. Wenn der Arzt zu dem
Ergebnis käme, dass es sich um die Körperteile eines
Mannes und einer Frau handelte, wäre die Entscheidung
leichter. Dann müsste Eyjólfur gehen. Dóra hatte
irgendwo gelesen, dass es Trauernden half, ihre verstorbenen
Angehörigen oder Freunde zu sehen, weil sie dann besser mit
deren Tod fertig wurden und das Unwiderrufliche akzeptierten.
Friðrikka und Eyjólfur zählten nicht zu den engsten
Angehörigen, aber diese Theorie traf vermutlich auch auf sie
zu. Vielleicht würde Friðrikka dann aufhören zu
weinen und Eyjólfur ruhiger werden. Es könnte sie
allerdings auch völlig aus der Bahn werfen.
    »Wann dürfen wir denn
endlich hier weg?« Eyjólfur hockte an der Wand unter
dem Flipchart. Darauf standen ein paar durch Pfeile miteinander
verbundene Wörter, die wahrscheinlich sehr aufschlussreich
waren, wenn man sich mit dem Thema auskannte – Dóra
waren sie hingegen völlig schleierhaft. »Ich sitze echt
in der Scheiße, wenn ich nicht bald zur Arbeit komme. Es war
geplant, dass wir am 24. nach Hause fliegen, und das ist
morgen.«
    »Mach dir keine
Sorgen.« Dóra stand auf und ging zum Fenster. Dieses
Herumhängen machte sie langsam wahnsinnig. »Dein Chef
wird das schon verstehen. Du machst ja nicht blau oder tust so, als
wärst du krank.« Sie warf Bella, die einmal im Monat,
bevorzugt montags und freitags, mysteriöse Erkältungen
bekam, einen Blick zu. Die Sekretärin tat so, als würde
sie es nicht bemerken, und legte weiter ihre Patience.
    Finnbogi betrat den Raum. Er
hatte die Kleidung gewechselt, und sein Haar war nass. Er
grüßte kurz und bat Dóra und Matthias dann um
eine Unterredung. Friðrikka beobachtete misstrauisch, wie sie
in den Flur gingen.
    »Es sind zwei
Männer.« Finnbogi fuhr sich mit der Hand durchs Haar und
schloss einen Moment die Augen. »Ich musste sie irgendwie
zusammenpuzzeln, und das auf einem Küchentisch. Soweit ich
sehen konnte, sind es die beiden Bohrmänner. Jedenfalls waren
es keine Grönländer.«
    »Wo hat man sie
gefunden?«, fragte Matthias ernüchtert. Solange die
Männer noch nicht entdeckt worden waren, hatten sie noch
Hoffung gehabt, sie lebend zu finden, aber nun mussten sie sich
eingestehen, dass es vorbei war.
    »Auf einer Insel hier in
der Nähe. Sie ist mit dem Festland verbunden, aber nur, weil
der Wasserspiegel in der

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