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Die eisblaue Spur

Die eisblaue Spur

Titel: Die eisblaue Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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entgegnete Dóra
gereizt. Das war nicht die richtige Zeit für Eigenlob.
»Aber wenn es Bakterien oder Gift waren, dann verstehe ich
nicht, wie ihre zertrennten Leichen auf einer Insel mit Hunden
landen können.«
    »Keine Ahnung. Ich kann
dir nur sagen, dass die Leichen wieder eingepackt worden sind und
keiner ohne Schutzkleidung in ihre Nähe darf. Wir hatten
Mundschutz und Handschuhe an, was bei einer gefährlichen
Krankheit allerdings keineswegs ausreichend ist. Unsere Klamotten
mussten wir anschließend wegwerfen. Ich kann nur hoffen, dass
die Leute, die die Leichenteile eingesammelt haben, durch den Frost
geschützt waren. Sie werden im Moment desinfiziert. Wenn es
sich um eine Viruskrankheit handelt, haben wir ein echtes Problem.
So gesehen wäre es besser, wenn die Bohrmänner aus
Versehen Gift zu sich genommen hätten.«
    »Was? Du meinst, wir
könnten uns angesteckt haben?« Matthias rückte noch
weiter vom Waschbecken ab.
    »Nein, wahrscheinlich
nicht. Vielleicht die Person, die die Leichen zerteilt hat, aber
auch das kann man nicht sicher sagen.«
    »Warum nicht? Glaubst du,
sie hatte einen Schutzanzug an?« Dóra konnte sich
wirklich nicht vorstellen, dass der bestialische Täter aus dem
Video einen weißen Overall mit Kapuze und Mundschutz angehabt
hatte.
    »Wenn es wirklich eine so
gefährliche Krankheit war, müsste die Person schon
längst tot sein. Und vielleicht auch noch weitere Personen,
falls sie eine Familie oder engen Körperkontakt zu anderen
hatte. Und davon hätten wir bestimmt was gehört. Aber,
wie gesagt, nach dem rein äußerlichen Eindruck habe ich
noch keine Beweise für diese Theorie. Erst nach der Obduktion
und allen möglichen Laborproben können wir uns sicher
sein.«
    Immerhin brauchte sich
Dóra keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob
Friðrikka oder Eyjólfur die Leichen identifizieren
sollte. Das war nun nicht mehr nötig. »Und was ist mit
Oddný Hildur? Könnte sie sich auch mit irgendwas
infiziert haben?«
    »Schon
möglich«, antwortete Finnbogi. »In dem Fall
müssen die Ansteckungswege untersucht werden. Zwischen den
beiden Ereignissen liegt so viel Zeit, dass es sich dann kaum um
eine von Menschen übertragene Krankheit handeln
kann.« 
    »Und der Mann im
Kühlraum?« Matthias runzelte immer noch die Stirn.
»Ist der auch an einer ansteckenden Krankheit
gestorben?«
    »Gut, dass du danach
fragst, Matthias«, sagte der Arzt großspurig.
»Ich durfte ihn mir genauer anschauen. Obwohl viel darauf
hindeutet, dass er an seiner schweren Verletzung gestorben ist,
gibt es Anzeichen dafür, dass er an derselben Krankheit litt
wie die Bohrmänner.« Nachdenklich schüttelte er den
Kopf. »Ich habe mich richtig erschreckt, als ich ihn bei
Tageslicht gesehen habe.«
    »Warum?«
    »Der Mann ist schon seit
Jahren tot. Vielleicht sogar seit Jahrzehnten.«

30.
Kapitel
    23. März 2008
    Igimaq stand reglos da und
ließ seinen Blick über das verbotene Gebiet schweifen.
Er fühlte sich unwohl, aber das Chaos in seinem Kopf hinderte
ihn daran, kehrtzumachen. 
    Die Hunde jaulten um die Wette.
Sie konnten nicht verstehen, warum sie an einer Stelle anhalten
mussten, wo nichts war. Nur ein schwarzes Loch in der Felswand, wo
das Herz des Bösen schlug. Inzwischen konnte man gut sehen,
dass es eine Höhle war. Am Anfang hatte sich nur ein
dünner, schwarzer Rand vom grauen Fels abgehoben, aber die
Höhle war von Jahr zu Jahr besser zu erkennen. Dies war der
Ort, dem die Menschen fernbleiben sollten; der Ort, der jeden, der
ihm zu nahe kam, in den Abgrund zog. Ihm die Seele aus dem
Körper riss, so dass nur noch eine leere Schale übrig
blieb, so wie man Muschelschalen wegwarf, wenn man sie ausgesaugt
hatte. Aber es war nicht die Höhle, die Igimaq beunruhigte. Er
hatte die Öffnung schon oft gesehen und stets darauf geachtet,
sich in angemessener Entfernung zu halten, so wie jetzt. Das
größer werdende Loch in der Felswand kümmerte ihn
nicht, doch etwas anderes erfüllte ihn mit
Hoffnungslosigkeit.
    Usinnas Grabhügel war
verschwunden. Dort, wo der flache Steinhaufen gelegen hatte, befand
sich eine Piste, nur halb von Schnee bedeckt, mit relativ frischen
Reifenspuren. Ältere Spuren wären vom schneidenden Wind
der vorangegangenen Tage längst unkenntlich gemacht worden,
denn Spuren im losen Schnee, ob sie nun von Tieren, Menschen oder
Fahrzeugen stammten, wurden weggefegt wie die Gischt von einer
Welle. Aber das Grab war schon länger verschwunden. Igimaq
sprang vom Schlitten und ging

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