Die eisblaue Spur
ein Mitbringsel
für Sóley finden. Im Flughafen gab es einen kleinen
Laden, der grönländisches Kunsthandwerk im Angebot hatte,
aber der war geschlossen.
»Nein«, schaltete
sich Matthias blitzschnell ein, »kommt nicht in
Frage.«
»Das solltest du lieber
auf dem Rückweg machen«, lenkte Finnbogi ein. »Die
Stadt ist interessant, aber du willst doch bestimmt nicht Gefahr
laufen, den Hubschrauber zu verpassen.« In diesem Moment
erschien einer der Gepäckmänner und sagte, sie sollten
sich zum Abflug bereitmachen. Das Geschenk für Sóley
musste warten. Dóra hielt es für ziemlich
unwahrscheinlich, dass es in dem Dorf beim Camp Mitbringsel gab.
Matthias hatte ihr erzählt, das kleine Dorf Kaanneq liege
abseits der Touristenpfade. Es gab keine Straßenverbindung zu
anderen Ortschaften, und der Seeweg war nur im Sommer und
Frühherbst befahrbar. Zu anderen Jahreszeiten war der
Hubschreiber die einzige Verbindung zur Außenwelt.
Dóras Magen rumorte, als
der Hubschrauber mit sieben Passagieren, zwei Piloten, Gepäck
und Lebensmitteln in die Lüfte stieg.
Es war eine glatte
Übertreibung, das Dorf Kaanneq klein zu nennen – es war
winzig. Auf den steilen Klippen rund um eine eisbedeckte Bucht
standen bunte Holzhäuser, die aus der schneeweißen
Umgebung herausstachen. Die Häuser waren gut in Schuss und die
Gärten wirkten gepflegt, wobei nicht zu erkennen war, was sich
unter dem Schnee verbarg. Der Hubschrauber stand oberhalb des
Dorfes auf einem Plateau, das als Landeplatz diente. Ein paar
tatkräftige Männer aus der Gruppe hatten beim Ausladen
geholfen, und sobald die letzte Kiste draußen war, eilten die
Piloten wieder an Bord und setzten die Propeller in Gang. Matthias
hatte mit ihnen vereinbart, dass sie in fünf Tagen gegen
Mittag zurückkommen würden, falls sie nicht früher
etwas von der Gruppe hörten.
»Wir sollten uns keine
Hoffnungen machen, dass sie zur vereinbarten Zeit da sind«,
sagte Eyjólfur þorsteinsson, der junge IT-Mann, als
der Hubschrauber aus ihrem Blickfeld verschwand.
»Wie meinst du
das?«, fragte Matthias barsch. »Für die
vereinbarte Zeit ist die Wettervorhersage gut. Der
angekündigte Sturm ist dann längst
vorbei.«
»Ich meine nicht das
Wetter.« Der junge Mann grinste breit. »Weißt du
nicht, dass das dieselben Piloten sind, die vergessen haben,
Touristen auf dem Grönlandgletscher zur verabredeten Zeit
wieder abzuholen? Sie haben sich erst ein paar Tage später an
die Leute erinnert, und es war großes Glück, dass die
Gruppe überlebt hat.«
Matthias’ Verständnis
für diese Art von Humor war begrenzt. Dóra versuchte,
ein Lachen zu unterdrücken, als sie seinen Gesichtsausdruck
sah. »Dann haben sie bestimmt aus der Erfahrung gelernt und
schreiben sich in Zukunft alles auf«, sagte Dóra
zuversichtlich und lächelte Eyjólfur an. Dann schaute
sie wieder zu Matthias. »Oder meinst du
nicht?«
Matthias’ Gesichtsausdruck
war unverändert, nur noch ein wenig blasser. »Bestimmt.
Aber ich setze mich zur Sicherheit noch mal mit ihnen in
Verbindung, wenn wir im Camp sind.«
Es blieb abzuwarten, ob sie im
Camp Telefonverbindung hatten. Matthias hatte Dóra
erzählt, dass man dort keinen Handyempfang hatte, und das
schien auch für dieses abgelegene Dorf zu gelten. Aber sie
konnten natürlich jederzeit bei einem der Dorfbewohner
telefonieren. Falls es überhaupt welche gab, denn zu sehen war
niemand.
»Sollen wir?«, rief
Matthias den anderen zu. Es dämmerte schon. Der Schuppen, in
dem die Autos von Bergtækni stehen sollten, befand sich in
einiger Entfernung. Der Weg dorthin führte am Dorfrand
entlang. Die Gruppe ging los, alle bis auf Bella, die ihre
langersehnte Zigarette in vollen Zügen auskostete. Außer
dem lauten Knirschen des Schnees unter ihren Füßen war
lediglich das Fluchen der Sekretärin zu hören, als sie
versuchte, die Gruppe einzuholen.
Das letzte Stück
führte an einem Haus und einem nicht eingezäunten
Grundstück vorbei, wo sich ein paar Schlittenhunde
zusammengerollt hatten und fest schliefen. Die Hunde waren kreuz
und quer auf dem Grundstück an Pflöcken angekettet. Als
sich die Gruppe näherte, schreckten sie aus ihrem friedlichen
Schlaf hoch. Wenn sie schliefen, wirkten sie ganz brav, aber in
wachem Zustand waren sie ziemlich furchteinflößend; sie
sprangen sofort auf und bleckten mit gesträubten Nackenhaaren
die Zähne. Einige Hunde zerrten knurrend an den Ketten, so
dass die Pflöcke wackelten. In dem Moment stieß die
rothaarige
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